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Diese Beobachtung könnte die Vermutung nahelegen, daß die Errichtung einer Hohen
Schule aus wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Gründen von seiten der
Stadt selbst betrieben worden wäre. Dafür gibt es aber keine Belege; die Stadt ist gewiß
weder Gründer noch Mitgründer der Albertina gewesen.21 Im übrigen hätte der
Erfolg einer ökonomisch motivierten Universitätsgründung in den fünfziger Jahren
aber auch ganz fraglich erscheinen müssen. Aus dem benachbarten Basel, wo zur selben
Zeit wie in Freiburg, aber durch die Stadt selbst, eine Universitätsgründung betrieben
wurde, sind ausführliche Beratungsprotokolle überliefert, die deutlich zeigen,
daß man von der Hohen Schule eine Belastung des Stadthaushalts befürchtete.22 Tatsächlich
mußte in Freiburg die Stadt die Universität nach deren Eröffnung 1460 materiell
unterstützen.23 Wenige Jahre später hatte sich der wirtschaftliche Niedergang
Freiburgs sogar so verschärft, daß der Rat 1476 einen Boten nach zahlreichen Städten
Oberdeutschlands, Österreichs und der Schweiz entsandte, um Anregungen für eine
Reform der Steuerordnung und des Amterwesens zu erhalten.24 Auch die demographische
Entwicklung ist durch die Universitätsgründung zunächst nicht signifikant
beeinflußt worden; Ende des 15. Jahrhunderts lag die Einwohnerzahl Freiburgs immer
noch bei ungefähr 5000 Seelen.25
In seiner prekären Lage hätte Freiburg einer tatkräftigen Landesherrschaft bedurft;
die Habsburger jedoch, denen die Stadt seit 1368 unterstand, waren selbst so sehr in
Bedrängnis geraten, daß sie Freiburg statt Hilfen weitere Belastungen brachten.26 Im
Jahr 1386 hatte Herzog Leopold III. mit seinem Ritterheer in der Schlacht von Sem-
pach eine entscheidende Niederlage gegen Luzern und die eidgenössischen Inneren
Orte erlitten; damit hatte der Ablösungsprozeß der österreichischen Herrschaft im
Gebiet der heutigen Schweiz eingesetzt.27 Die Eidgenossen bedrohten die Habsburger
fortan auch jenseits des Rheins; wie andere Landstädte mußte sich auch Freiburg
wiederholt an militärischen Aktionen beteiligen.28 Eine Zäsur für die Habsburger
bedeutete insbesondere das Jahr 1415; Herzog Friedrich IV. von Tirol und Vorderösterreich
, der gegen das Konstanzer Konzil den Papst Johannes XXIII. unterstützte,
verfiel der Reichsacht, wodurch die Eidgenossen den Aargau besetzen und im Breisgau
neuen Einfluß gewinnen konnten.29 Die alte habsburgische Herrschaft am
Oberrhein war, wie man formuliert hat, in ein „politisches Trümmerfeld" zerfallen,
das als sogenannte Vorlande von Innsbruck aus verwaltet wurde.30 Ein eigenes „Regiment
" (Behörde) in Vorderösterreich mit Sitz im elsässischen Ensisheim hat sich
erst sehr viel später, Ende des 15. oder gar erst Anfang des 16. Jahrhunderts, ausgebildet
.31 Neben der militärischen Bedrohung und der mangelhaften Entwicklung politischer
Strukturen schwächten die Erbregelungen bei den Habsburgern die Vorlande
und somit auch die Stellung Freiburgs. Da die Habsburger, im Unterschied zu anderen
Adelssippen, Realteilungen vermieden und durch Vormundschaften die verschie-
denen Zweige immer wieder im Interesse des „Hauses Osterreich" zusammenzubinden
verstanden,32 konnten sich eigene Dynastien kaum entwickeln. Dieser hätte es
aber bedurft, um gefährdete Gebiete wie diejenigen am Oberrhein zu konsolidieren.
Die Gründungszeit der Universität Freiburg überschattete ein latenter, häufig sogar
offener Konflikt der Habsburger Brüder Friedrich und Albrecht, des späteren Kaisers
Friedrichs III. und Erzherzog Albrechts VI. (vgl. Stemma auf der S. 37); die Spannungen
wurden noch dadurch verschärft, daß beider Vetter Sigmund von Tirol An-
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