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warten gepfändet und erst nach Erhalt des geforderten Schriftstückes wieder herausgegeben
werden.19 (Vermutlich kam der Widerstand nicht nur von Seiten der Gemeinden
, sondern auch seitens der Holzmeister, die mit der privaten Verleihung von
Weiden gelegentlich ihre Besoldung aufbesserten.)
Den Bauern Gundelfingens blieb keine andere Wahl, als sich den neuen Anforderungen
anzupassen, auch wenn sie als neue Schikane aufgefaßt werden mochten, mit
der Freiburg ihnen den gewohnheitsrechtlich beanspruchten Zugang zum Mooswald
abermals erschwerte. Aber die Weide im Mooswald war in ihren Augen unverzichtbar
; der ebenfalls von der Gemeinde als Eigentum angesprochene Obere (Herzogen-)
Wald im hintersten Winkel des Nachbarortes Wildtal war zwar noch nicht umstritten
wie nur wenige Jahrzehnte später, er bot aber schon aufgrund seiner entlegenen Lage
als Viehweide keine sehr praktikable Alternative.
So ist zu vermuten, daß auf Drängen der Gemeinde die baldige Angleichung des
Gundelfinger Siegels an das für die älteren markgräflich-badischen Gemeinden übliche
Siegelbild vorgenommen wurde. Schon dreißig Jahre später besaß der Ort jedenfalls
ein Siegel, das in der vorderen Schildhälfte nun ebenfalls den badischen Schrägbalken
aufwies. Vom ursprünglichen Dorfzeichen blieb in der rechten Hälfte nur
noch die Tanne erhalten. Die Umschrift lautete jetzt: S. DES. DORFS.ZVO.GUN-
DELFINGEN (Abb. 3). Eigenartigerweise war es wieder ein Schriftstück über das
dem Freiburger Kartäuserkloster gehörige Hofgut in Gundelfingen, in dem 1574 die
neue Variante zuerst nachzuweisen ist.20 Vielleicht war dessen Verwaltung auf die
formal einwandfreie Absicherung des in fremden Herrschaftsgebiet liegenden Klosterbesitzes
besonders bedacht
Obwohl mit diesem Siegeltyp von 1574 den administrativen Anforderungen an die
Gestaltung des Siegels Genüge getan war, wurde auf der rechten, sozusagen dörflichen
Schildhälfte nochmals eine, wenn auch nur leichte Veränderung vorgenommen
. Sie war jedoch keineswegs willkürlich oder rein ,ästhetisch' motiviert, sondern
sie geschah aus einer bestimmten, ortsgeschichtlich zu begründenden Intention
heraus.
II
Die folgenden Bemerkungen über das variierte Baummotiv im Gundelfinger Gerichtssiegel
müssen sich notgedrungen im Bereich mehr oder weniger plausibler Spekulation
bewegen, da, wie schon erwähnt, unmittelbar auf die Siegelgestaltung bezugnehmende
schriftliche Zeugnisse für die frühe Neuzeit zu den seltenen
Ausnahmen zählen. Aber immerhin lassen sich in unserem Bespiel frappante Parallelen
zwischen ortsgeschichtlichen Vorgängen und Modifikationen des im Siegel überlieferten
Dorfzeichens feststellen.
In der Mitte des 16. Jahrhunderts standen den Bewohnern von Gundelfingen drei
Gebiete für die Waldweide zur Verfügung:
— der Freiburger Mooswald (gewährte Nutzung)
— der auf Wildtaler Gemarkung gelegene Obere Wald, auch Herzogenwald genannt
(Nutzungs- resp. Besitzrecht strittig)
« der Untere Wald auf Gundelfinger Gemarkung (Eigentum)
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