http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0140
zweite Violinen, zwei Bratschen, Cello und Kontrabaß, zwei Klarinetten, zwei Hörner
, zwei Fagotte, zwei Oboen und zwei Flöten, zwei Trompeten und einen Pauker.
Diese Besetzung erscheint nun, vor allem in den Singstimmen, aus heutiger Sicht
nahezu lächerlich klein. In der Praxis war es aber wohl so, daß diese Minimalbesetzung
durch Laien, „Dilettanten", vergrößert wurde, die „Zur größeren Ehre Gottes"
oder vielleicht auch nur aus Freude an der Musik unentgeltlich mitsangen und -spielten
. Es war also durchaus nicht so, daß die Freiburger Domkapelle in den ersten Jahren
nur aus Berufsmusikern bestanden hätte. Und auch der Unterschied zum heutigen
Domchor war so groß doch nicht, denn die Instrumentalisten werden auch heute noch
bezahlt, und die Vokalsolisten bekommen ebenfalls ihr Honorar; nur gibt es heute
keinen festen Stamm von Musikern und Solisten mehr, die vertraglich verpflichtet
sind, bei jeder Probe und jeder Aufführung mitzuwirken und die bei Versäumnissen
Gehaltsabzüge befürchten müssen.
Die Bezahlung der Domkapellmitglieder war nicht so, daß jemand davon hätte leben
können, und keines von ihnen war hauptberuflich bei der Domkapelle angestellt.
Ihre Honorare lagen etwa zwischen 20 und 80 Gulden pro Jahr, die meisten bekamen
weniger als 50 Gulden.26 (Zum Vergleich: Ein katholischer Priester bekam damals,
je nachdem, wie seine Pfarrpfründe dotiert war, zwischen 600 und 2000 Gulden pro
Jahr. Für den Kauf einer neuen Trompete veranschlagte Leopold Lumpp 36 Gulden,
ein Fagott sollte 66 Gulden kosten, und eine neue Bratsche konnte die Domkapelle
gar schon für rund 16 Gulden anschaffen.27) Natürlich gab es unter den Domkapellmitgliedern
einige Berufsmusiker, etwa vom Theater, und Musiklehrer, viele der
festangestellten Musiker und Sänger aber betrieben die Musik nur als Liebhaber, waren
in ihrem Berufsleben etwa Lehrer, Museumssekretär oder Universtätspedell,
Kanzlist, Drehermeister oder Student.28
Leopold Lumpp hatte zwar versucht, durch die Honorare und die Strafen für eine
möglichst gute Disziplin und eine regelmäßige und verläßliche Mitwirkung der einzelnen
Musiker und Sänger zu sorgen, er hatte auch versucht, mit dem städtischen
Theater eine Vereinbarung zu treffen, nach der die Musiker nicht durch Theateraufführungen
oder -proben daran gehindert werden durften, im Münster bei den Gottesdiensten
zu musizieren, doch ließen sich Interessenkollisionen niemals ganz vermeiden
.29 Johannes Schweitzer, Lumpps Nachfolger als Domkapellmeister, beschrieb
die Situation im Jahre 1870 so:
„Bisher wurden zur Besetzung der verschiednen Instrumente auf dem Dommusikchore
in der Regel die Mitglieder des Theaterorchesters verwendet. Das brachte den
großen Nachteil mit sich, daß man ohne Rücksicht auf die Confession und den Charakter
der Musiker Protestanten, Juden und glaubenslose Katholiken nehmen mußte.
Hinzu kömmt noch in neuester Zeit der Umstand, daß das Theatercomite, wie es
scheint der Kirche zum Trutz, an allen abgestellten Feiertagen und auch sonst öfter
während des Hauptgottesdienstes Theaterprobe abhalten läßt, wodurch eine musikalische
Aufführung im Münster beinahe unmöglich gemacht wird." 30
Anfangs jedoch, in den ersten Jahren, scheint es diese Probleme nicht oder nicht
in diesem Maße gegeben zu haben. Zumindest klagte Lumpp nicht darüber, daß es
seinen Musikern und Sängern an der rechten Gesinnung und Religiosität fehlte. Vielleicht
hatte er genügend gut katholische und moralisch einwandfreie Musiker zur Ver-
138
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0140