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beschäftigen. Vier Familien ernähren sich wieder allein mit der Zubereitung der Bürstenhölzer
."14 Rechnet man pro Familie 5 Mitglieder, so ergibt sich, daß rund 600
Menschen schon in dieser ersten Phase mit der Bürstenbinderei beschäftigt waren,
eine Zahl, die auch später nicht wesentlich überschritten wurde.
Arbeitsteilung
Wichtig erscheint die Tatsache, daß in der Todtnauer Heimindustrie die Arbeitsteilung
bei der Bürstenfabrikation schon ganz früh, d.h. mit dem Begründer, einsetzte
. (Die folgende Textstelle aus Ackermanns Bericht ist wohl wegen dieses Charakteristikums
am häufigsten wiedergegeben worden.)
„Insbesondere merkwürdig ist, daß der denkwürdige Stifter dieses für Todtnau so
wichtigen Erwerbszweiges gleichsam aus innerm Instinkte getrieben, die Arbeiten
bei der unternommenen Fabrikation unter seine zahlreiche Familie theilte, dergestalt,
daß der Eine mit Zurechtlegung der Borsten, der Andere mit dem Binden, der Dritte
mit Herrichtung des Bürstenholzes, ein Vierter mit Einsenkung der Haarbüschel, ein
Andrer endlich mit dem Verpichen und Durchziehen beschäftigt werden konnte." 15
Neben dieser Arbeitsteilung innerhalb der Produktion trat auch schon eine Trennung
der Produktionssphäre vom Handelssektor ein. Leodegar Thomas Sohn Christian
Thoma und Lorenz Wunderle zogen schon mit Leodegars Produktion über
Land16.
Diese Trennung war allerdings nicht durchgängig, normalerweise besorgte den
Hausierhandel ein Familienmitglied (s. weiter unten).
„Zunftfreiheit"
Ackermann weist auf eine weitere Besonderheit des Bürstengewerbes hin: „Diese
Bürstenbinder sind nicht eingezünftet, durch keine Verordnungen beschränkt,
der Junge wird nicht aufgedungen, nicht losgesprochen, er macht kein Meisterstück
. . "17. Hieraus läßt sich auch der Erfolg der Todtnauer Bürstenbinder erklären
: Im Gegensatz zu ihren städtischen Kollegen, die in Zünften organisiert waren,18
konnten sie neue Techniken einführen, wie wiederum Ackermann anschaulich beschreibt
:
„Hat der Eine eine neue Methode ausfindig gemacht, eine andere Art Bürsten erfunden
, oder besondere Vortheile entdeckt, so hält er damit nicht zurück, sondern
theilt einem Jeden, der ihn darum fragt, seine neuen Handgriffe und Verbesserungen
mit." 19 Diese ständige Qualitätsverbesserung und Rationalisierung führte zur guten
Marktstellung der Todtnauer Bürsten.
Daß in Todtnau keine Bürstenbinderzunft bestand, mag damit zusammenhängen,
daß gerade durch die gute Marktlage und das weite Handelsgebiet der Todtnauer eine
Beschränkung der Konkurrenten durch strenge Zunftschranken gar nicht nötig war.
Während die städtischen Bürstenbinder — die keine Hausiererlaubnis erhielten -
zum Schutze ihres kleinen Marktes die Zahl der Konkurrenten kleinzuhalten trachteten
, konnten die Todtnauer durch Ausweitung des Handelsgebietes für ausreichenden
Absatz sorgen. Auch in einem Entwurf für ein Gewerbegesetz vom Jahre 1842 für
das Großherzogtum Baden wird die Zunftfreiheit der Todtnauer bestätigt und gleichzeitig
für die Städte eingeführt: „Alle Zweige der Landwirtschaft (...) und ihre
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