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und Gewinn zur Erduldung oft kaum glaublicher Unannehmlichkeiten, und Unge-
mächlichkeiten stählt. Aber zu Hause scheint er dann, für Alles, was er erduldete,
Entschädigung zu suchen; er lebt dann gut, sogar leichtsinnig, sein Erscheinen
gleicht einem Familienfeste, an dem Alles Theil nimmt, bis der heimgebrachte Gewinn
auf die Neige geht, was ihn dann von Neuem zum Aufbruche mahnt."98
Manchmal waren die Bürstenbinder zugleich Hausierer, so zog dann entweder der
Familienvater oder ein Sohn der Familie mit den im Familienbetrieb gefertigten Bürsten
in die Ferne. In dieser Konstellation wurde am meisten verdient. Aber auch sonst
haben die Händler ordentlich verdient, die Handelsspanne betrug 100 % und mehr,
und durch ihre sparsame Lebensweise unterwegs scheinen auch die Händler zu einigem
Wohlstande gekommen zu sein.
Das Verhältnis „Fabrikant" — „Hausierer"
Im Gegensatz zu den weiter nördlich ansässigen Schwarzwälder Uhrenhändlern war
das Verhältnis der Bürstenhausierer zu ihren Lieferanten nie eines, das auf „Handelsvormundschaft
" abzielte. Die Uhrenhändler versuchten die Uhrmacher von sich abhängig
zu machen, waren unternehmungslustig, aber auch hart und geizig," die
Bürstenhändler werden dagegen als „leichtsinnig und eher fügsam" beschrieben.100
Daß dieses Verhältnis nicht zur Abhängigkeit führte, mag zum einen daran gelegen
haben, daß „in diesen südlichen Tälern mit den geschlossenen Hofgütern die bäuerliche
Aristokratie (fehlt); es fehlt auch für den Händler der Wetteifer mit dieser. Alle
waren zufrieden, auf dem landesüblichen Standpunkt der kleinen Leute zu verharren
."101 Zum anderen lag es wohl auch daran, daß die Händler aus Todtnau an den
hohen Festtagen und in der Haupterntezeit immer wieder nach Hause kamen,
„Fleisch vom Fleische der Bürstenbinder blieben" (Bittmann).
„Während dem Händler draußen dem Verkaufsgeschäft oblag, saß die eigene Familie
, Frau und Kind, am Schraubstock und zog Bürsten ein; und in den zwischen seinen
Reisen liegenden Wochen half er selber tüchtig mit; er wurde nicht landfremd
und wollte Freund unter Freunden bleiben." 102
Zusammenarbeit der Hausierer Handelskompanien
„Die Zahl der Händler mehrte sich nach und nach immer mehr, was als Beweis dienen
mag, daß dieser Handel einen sichern Erwerb gewährt. Es bildeten sich auch größere
und kleinere Gesellschaften. Als eine solche noch bestehende größere Societät
verdient die sogenannte Niederländergesellschaft, die mehrere Mitglieder von Todtnau
, Brandenberg und Todtnauberg zählt und namentlich im badischen Unterlande
handelt, der besonderen Erwähnung. Diese setzt ihre Artikel selbst in Frankfurt,
Hessen-Darmstadt, Mainz und vielen Städten in Württemberg besonders auf Messen
und Jahrmärkten ab. (. . .) Früher bestand noch eine andere größere Gesellschaft, die
in der Schweiz handelte, sich aber in späterer Zeit auflöste, "berichtet Rombach im
Jahr 1855.103
Auch die Niederländergesellschaft löste sich kurz darauf auf und die Händler arbeiteten
von da an jeder für sich. Die Handelsgesellschaften hatten zusätzlich zu den
Bürsten noch Glaswaren, Holzwaren und kleine Eisenwaren in ihrem Verkaufsprogramm
. Zum Transport der Waren in entferntere Gegenden und zu den Niederlassun-
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