http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0216
klammern. Nicht von ungefähr begrüßt der Bürgermeister am 13. Oktober 1940 „Ar-
beitsmaiden" aus der „Ostmark" (Osterreich), Lange Verhandlungen zwischen Gemeindeführung
und Parteileitung waren der Einrichtung des „Lagers 9/138 Teningen"
im „Anthonie v. Rebay-Haus" vorausgegangen, „einer Schenkung von Fräulein Hilla
v. Rebay in Amerika an die Gemeinde, benannt zu Ehren ihrer verstorbenen Mutter,
einer führenden Nationalsozialistin unserer Gemeinde aus der Kampfzeit".
In längeren Berichten hatte Heß vorher den „Reichsarbeitsdienst für die weibliche
Jugend" vorgestellt als „weitere willkommene Hilfe für die hiesige Einwohnerschaft"
(Gb. 30. April, 28. September 1940). Stolz verweist er auf militärische Elemente im
Lager der vierzig jungen Frauen: „zum ersten Mal im Leben in einer militärischen
Uniform [. . ,] aus diesen jungen Mädels richtige Soldaten machen [. . .] Garnison,
General, Ausbildungsstab, Kaserne, Rekruten, Altgediente". Ziel der „Arbeitsmaiden
" sei es, „besten Kontakt" zur Bevölkerung und vor allem zur Jugend zu gewinnen
, Heß entwirft denn auch ein Gemälde mit lauter lichten Tönen. „Wie schön ist
es, wenn sie am Morgen antreten und zum Arbeitsplatz marschieren. Sauber in den
blauen Kleidern, lachend und mit fröhlichen Gesichtern, für jeden Begegnenden einen
Gruß auf den Lippen, so ziehen sie täglich freudig durch unsere Dorfstraßen,
man kann sie gar nicht mehr aus diesen herausdenken. Und wie sich die Mädel an
den Arbeitsstellen anlassen; nur Lob habe ich von den Betriebsführern gehört, alles
wollen sie lernen, den Haushalt, draußen im Garten und Stall, das Melken, Tabaksetzen
und -abmachen, Getreide- und Heumähen und -laden, und was es alles gibt".
Stolz verwiesen die Mädchen immer wieder auf das, was sie gelernt hätten; überall
packten sie an, „mit einer Energie und einem Geist, der jedem Skeptiker die Achtung
und Bewunderung abnötigt".
Der Bürgermeister geht auf das Aussehen der jungen Frauen ein; gegen den verbissenen
Ernst vieler „alter Kämpfer" setzt Heß einen Schuß Humor (auf Kosten anderer
) und verweist dann die „Arbeitsmaiden" auf ihre Rolle; im NS-Staat waren
Frauen Führungspositionen versagt; sie sollten Kinder gebären, Jungen großziehen,
aus denen HJ, RAD und Wehrmacht Krieger machen würden. „Rote Pausbacken, gesund
wie das Blut, gestählt durch körperliche Arbeit und Sport, — auch die Kleider
sind nicht mehr zu weit, böse Zungen behaupten sogar, daß eine Zunahme von rund
800 Pfund angenommen werden kann — vereint mit einer Schulung auf allen Gebieten
des häuslichen, staatlichen und politischen Lebens, So wachsen sie heran, um
dem deutschen Volke in nicht allzu ferner Zeit tüchtige Hausfrauen und Mütter zu
schenken; es ist eine Schule des Lebens," Abschließend warnt der Bürgermeister Arbeitgeber
davor, „in diesen Mädels eine willkommene Arbeitskraft zu sehen". Die
Mahnung scheint nicht überall auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Im November
muß der Bürgermeister nämlich Arbeitgebern ins Gewissen reden: Man solle nicht
meinen, daß er oder die Lagerführerin „im Frühjahr ein Mädel bei einer auswärtigen
Landwirtsfamilie wegnimmt, die diese über den Winter durchgehalten hat",38
Im Sommer luden die „Arbeitsmaiden" zu einem Kinderfest ein, dem das Gemeindeblatt
eine ganze Seite widmet (15. August 1940). Solche Feste durften nur noch von
der Partei bzw. ihren „Formationen" veranstaltet werden; die hatten das Monopol auf
die Ausbildung der Jugend; gänzlich „unpolitischen" Veranstaltungen kam dabei hoher
Stellenwert zu, ergab sich doch die Möglichkeit, Kinder zu gewinnen, langfristig
214
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0216