http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0219
Sitzkrieg und Kriegsziele
Nach dem Polenfeldzug herrschte (zu Lande) ein halbes Jahr lang Ruhe; die Hoffnung
Hitlers, die Westmächte würden auf sein Friedensangebot eingehen, erfüllte
sich nicht. Vielmehr bewies Großbritannien zur See und in der Luft, daß es ihm mit
der Fortsetzung des Krieges ernst war. Andererseits demoralisierte das Untätigsein;
die Deutschen sprachen von „Sitzkrieg", die Franzosen von „dröle de guerre", dem
komischen Krieg. Im ersten einer Reihe von „Feldpostbriefen unserer Soldaten an die
Heimatgemeinde", die das Gemeindeblatt abdruckt (10. Februar 1940), meint ein ungenannter
Unteroffizier: „Hoffe nur, daß der Krieg bald ein anderes Gesicht bekommt
, denn das Exerzieren gegen England wird mit der Zeit langweilig."
Warum waren überhaupt die deutschen Soldaten ausgerückt? Von einer Dorf'zei-
tung" darf man keine verbindlichen Äußerungen zu den Kriegszielen erwarten; da
das Gemeindeblatt aber einen Teil der öffentlichen Meinung spiegelt, seien charakte-
ristische Äußerungen wiedergegeben. Ein Gefreiter schreibt in einem weiteren Brief
(Gb. 1. Februar 1940), es gehe „um das Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes
und Reiches mit seinem großen Führer. Und für diese Idee ist uns kein Opfer zu viel
und zu groß." Mehr oder weniger abgewandelt, begegnet dieser Gedanke immer wieder
, ergänzt um das Verlangen, das Reich müsse seine „Freiheit" erringen bzw. behaupten
, England müsse niedergeworfen oder, wie es an anderer Stelle heißt, das
„Genick gebrochen" werden. Bei einem Besuch der Gemeinde mahnt der neuernannte
Kreisleiter Pg. Senft am 3. Dezember 1940 „zu treuem und hartem Aushalten,
bis auch der letzte Feind — der Engländer — niedergerungen ist und der friedliche
Aufbau des größten Sozialstaates der Welt wieder fortgesetzt und vollendet werden
kann." Ein Neben- oder gar Miteinander von Deutschland und England galt als unmöglich
.
Die Propaganda stellte Frankreich als lebensuntüchtig hin; im Gemeindeblatt ist
von ihm nur beiläufig die Rede; man spürte, daß hier nicht der Hauptgegner war.
Nach den spektakulären Erfolgen im Westfeldzug hofft der Bürgermeister (10. Juni
1940): „Der Rhein ist wieder frei, möge es dem geliebten Führer gelingen, uns und
den kommenden Generationen einen Frieden zu sichern, der dem deutschen Volke
für alle Zukunft solches Leid erspart und daß wir nie mehr solches Grenzlandschicksal
erdulden müssen." Am 15. Juli 1940 nimmt der Bürgermeister einen Bericht von
unritterlicher Behandlung eines verwundeten Teninger Soldaten durch Franzosen
zum Anlaß, „jede Regung von Mitleid für den geschlagenen Gegner in uns zu ersticken
."
Unmittelbare Auswirkungen des Krieges
Teningen lag im Aufmarschraum der Wehrmacht; die Teninger konnten daher Vorbereitungen
zum Westfeldzug aus nächster Nähe beobachten. Zunächst hatten sie sich
aber mit einigen Unannehmlichkeiten abzufinden. Sie mußten ja nicht nur — wie die
Bevölkerung allenthalben im Reich — mitansehen, wie ihre Männer, Söhne, Enkel,
Brüder auszogen, wie ihre Pferde requiriert wurden, sondern sie mußten auch zusammenrücken
. Am 13. April 1940 widmet der Bürgermeister eine ganze Seite des Gemeindeblattes
Fragen, die Unterkunft und Verpflegung der Wehrmacht auf warfen;
217
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0219