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ches" in Südbaden — anknüpft (vgl. Schau-ins-Land 106, 1987, S. 324—325). Umfangreiches
Material hat er aus verschiedenen Archiven Badens, aus privaten Unterlagen, Gesprächen,
Zeitungen und Zeitschriften, zeitgenössischen Veröffentlichungen, Erinnerungen und sonstigen
Publikationen zusammengetragen. Kenntnisreich leitet Bosch in die einzelnen Kapitel ein
und kommentiert die jeweiligen Quellen. Sinnvoll ausgewählte Abbildungen machen den Band
anschaulich, eine detailliertes Sach-, Orts- und Personenregister hilft bei seiner Erschließung.
Der Leser erhält ein dichtes und zugleich differenziertes Bild von den Lebensverhältnissen
der Bevölkerung, ihren Problemen und Hoffnungen. Die Anfange wirtschaftlicher und politischer
Tätigkeit sowie die Konzeptionen für eine staatliche Neuordnung werden ausführlich
dargestellt. Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen wird als große Leistung gewürdigt
, ohne die Ressentiments gegenüber Fremden und die Reibereien zu verschweigen. Die
bedeutende kulturelle Vielfalt kommt zur Sprache und erscheint dabei auch als Möglichkeit,
ein neues Lebensgefühl in den schweren Zeiten zu entwickeln. Darin drückte sich oft das Bedürfnis
aus, die Vergangenheit zu vergessen. Insgesamt blieb die Auseinandersetzung mit dem
„Dritten Reich" letztlich unzulänglich, die Gründe dafür läßt Bosch in den zitierten Quellen
hervortreten.
Hier und dort erführe man gerne mehr über die Kontinuitäten aus der Zeit vor 1945. Deutlich
werden die Besonderheiten der Verhältnisse in Südbaden gegenüber den übrigen Besatzungszonen
. Hunger und Existenzsorgen waren hier über die Maßen groß und hinderten viele
daran, sich um die Politik oder um die Frage nach der Verantwortung für das zwischen 1933
und 1945 Geschehene zu kümmern. Die Besatzungspolitik der Franzosen belastete — aus verständlichen
Gründen, wie Bosch überzeugend nachweist — die Bevölkerung stärker als diejenige
der übrigen Mächte. Darüber hinaus finden sich im Land Baden jedoch gesellschaftspolitische
Alternativen zur späteren Entwicklung, die man auch heute noch zur Kenntnis nehmen
sollte, selbst wenn sie sich damals nicht durchsetzen konnten: etwa zur Betriebsverfassung und
zur überbetrieblichen Mitbestimmung oder zur Schul- und Hochschulreform.
In diesen Fällen hätte ich mir eine ausführlichere Dokumentation gewünscht, doch wird bei
einem so facettenreichen Prozeß und einem kaum zu übersehenden Quellenbestand immer
über die Auswahl in einzelnen Punkten gestritten werden können. Die inzwischen erschienenen
SpezialStudien, die Bosch nicht mehr auswerten konnte, und die Materialien im jetzt
zugänglichen französischen Besatzungsarchiv in Colmar hätten ihn vielleicht auch hin und
wieder die Akzente anders setzen lassen. Dies mindert jedoch keineswegs Boschs bewundernswerte
Leistung. Er hat sein Ziel, ein „ebenso vielschichtiges wie repräsentatives Bild jener
Zeit zu geben" (S. 8), eindrucksvoll erreicht. Wer die Zeit nach 1945 verstehen will, muß
zu diesem Band greifen. Heiko Haumann
Unser Land Baden-Württemberg. Landeskunde — Landesgeschichte. Bearb. von Jürgen
Nebel. Paul List Verlag und Schroedel Schulbuchverlag, München 1988. 64 S., zahlreiche
Abb. und Schautafeln, brosch.
Den Schulen Baden-Württembergs kommt gemäß den Bildungsplänen neben anderen Funktionen
die Aufgabe zu, anknüpfend an die Erlebnis- und Erfahrungswelt der Schüler deren Interessen
an der heimatlichen Umgebung zu wecken, damit sie sich mit den dortigen Strukturen
auseinandersetzen, sich mit dem Raum wie mit den Menschen verbunden fühlen und fähig
sind, sich für Neues zu öffnen. Dies wird facherübergreifend verstanden, und da bisher noch
kein gemeinsamer Begriff gefunden worden ist, hat man sich daran gewöhnt, zumindest für
einen Großteil der Themen die Doppelbezeichnung „Landeskunde — Landesgeschichte" zu
verwenden. Für Baden-Württemberg liegt hierzu jetzt das erste Schulbuch vor.
Jürgen Nebel stellt das Land zunächst in einem Gesamtüberblick vor, um dann die einzelnen
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