http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0217
fühlte . . . Nach der wiederholten Anwendung der Pumpe gewann die Patientin in 2
Monaten allein mindestens 15 Pfund in nicht ganz einem halben Jahr 22—23 Pfund.
Die Genesung ist nun schon zwei Jahre eine vollständige geblieben, obwohl sich die
Patientin keineswegs in guten Verhältnissen befand . . ." Kußmaul stellte in dieser Arbeit
sodann 11 weitere Beobachtungen mit Hinweisen auf Funktion und Motorik,
pathologische Anatomie und lokale sowie allgemeine Therapie des Magens dar. Bei
Zeitgenossen galt die Einführung der Magenpumpe als die therapeutische Großtat
Kußmauls: „Die ebenso ingeniöse als praktische Magenpumpe, welche Kußmaul zur
Behandlung der Magenerweiterung verwendet, ist . . . durch den Mechaniker Fischer
in Freiburg angefertigt."51
b) Die Erstanwendung der Speiseröhren und Magenspiegelung
Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Arbeiten von Kußmaul liegt zu dieser Innovation
, die weltweit verbreitet ist, und mit der heute die moderne Diagnostik von
Magen, Speiseröhre und Zwölffingerdarm durchgeführt wird, kein ausführlicher Bericht
Kußmauls vor. Dennoch kann die Erstanwendung plastisch geschildert werden,
weil hierzu in Freiburg Quellenmaterial gefunden wurde.
„Übrigens habe ich auch schon in einer Wintersitzung unseres Vereins 1867/68
über Lokaltherapie des Ösophagus und Magens einen Vortrag gehalten, theils mit
Hinweisung auf diese neue Kurmethode, theils unter Demonstration eines Verfahrens
, den Ösophagus und selbst das Innere des Magens zu spiegeln, worauf ich ein
anderes Mal zurückkommen werde." Dieser Verein ist die Medizinische Sektion der
Gesellschaft zur Beförderung der Naturwissenschaften zu Freiburg i. Br., in deren
Protokoll es 1868 heißt: „Kußmaul trägt vor: 4. März: Über Anwendung der Magen-
• • • •
pumpe; 21. Juli: Uber Magenspiegelung; 30. Oktober: Uber Magenerweiterung und
die therapheutische Anwendung der Magenpumpe.52 Soweit die spärlichen Quellen
der Zeit. Wenn wir über dieses Geschehen dennoch ausführlich informiert sind, liegt
es daran, daß der Freiburger, später Berliner Hals-Nasen-Ohren-Arzt Gustav Killian
(1860—1921) eine erste Geschichte der Speiseröhren- und Magenspiegelung veröffentlicht
hat. Er findet im Jahre 1900 in der alten Kußmaulschen Klinik noch dessen Instrumentarium
, kann es ausprobieren und sich davon überzeugen, wie schlecht z. B.
die Beleuchtungsverhältnisse waren. Killian wandte sich brieflich an den fast
80jährigen Kußmaul in Heidelberg und an dessen ehemalige Mitarbeiter, um Genaueres
über die ersten Spiegelungen zu erfahren. Alle Antwortbriefe sind erhalten und
im Institut für Geschichte der Medizin der Universität Freiburg wieder aufgefunden
und publiziert worden.53
Am 5. November 1899 schreibt Kußmaul an seinen ehemaligen Assistenten und
späteren Medizinalrat in Kenzingen, Julius Müller: „Lieber Freund und College! Mit
Vergnügen erinnere ich mich der schönen Zeit gemeinsamer Arbeit in der Freiburger
Klinik. Ich hatte mir das von Desormeaux 1855 in die Praxis eingeführte Endoskop
für klinische Zwecke angeschafft und es gelang damit, ein hochsitzendes Carcinoma
ösophagi zu besichtigen. Da erzählten Sie mir von der Schaustellung eines Schwertfressers
, der ein gerades Schwert in senkrechter Richtung in Magentiefe hinabstoße,
was mir für die Frage der Gastroskopie sehr interessant erschien. Sie brachten den
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