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1871
Zum Empfang badischer Soldaten in Freiburg am 19. März verfaßte Kußmaul das
„Werder-Lied"; es liegt in der Universitätsbibliothek in Freiburg, wohin es 1913 von
der Gesellschaft für Geschichtskunde abgegeben wurde. Das Lied ist mit K. als Verfasser
gekennzeichnet, das handschriftlich zu Kußmaul ergänzt ist. Ich halte diese
Deutung aufgrund meiner Kenntnisse von Kußmauls Dichtungen für richtig. — August
Graf von Werder war ein im ostpreußischen Norkitten geborener General, von
dem eine Büste im Augustinermuseum und ein Portrait-Medaillon am Siegesdenkmal
zu finden ist. Der Werder-Ring ist nach ihm benannt. Im deutsch-französischen Krieg
1870/71 führte Werder das XIV., hauptsächlich aus badischen Truppen bestehende
Armeecorps. Er war wohl ein spröder preußischer Militär, jedoch wegen seiner Verdienste
um Baden hier sehr volkstümlich: am 6. Februar 1871 bekam er die Ehrendoktorwürde
der Philosophischen Fakultät und am 10. Dezember 1876 die Ehrenbürgerwürde
der Stadt Freiburg verliehen.63 Kußmaul erwies ihm mit einem 12strophigen
Lied, dessen erste und letzte Strophe hier wiedergegeben sind, ebenfalls seine Reverenz
. Solche Siegeslyrik war damals sehr verbreitet, sie klingt heute eher wie Blechmusik
.
Werder-Lied
„Schmückt mit Tannenreis die Hallen,
Laßt aus allen Kehlen schallen:
Vivat Werder und sein Heer!
Welsche Obmacht kam zu Schanden
Deutsche Kraft ist gut gestanden
Hat erstritten Sieg und Ehr.
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Gott mit uns! Er hat gerichtet,
Frankreichs Heere sind vernichtet,
Die wir schlugen, Streich auf Streich!
Aus zerstückten deutschen Landen
Ist ein einig Volk entstanden
Und ein einig deutsches Reich!"
Passend zum freudigen Ereignis des Sieges erhält Kußmaul einen weiteren Ruf! Am
19. Mai unterrichtet die Universität das Ministerium, „daß Hofrath und Professor
Dr. Kußmaul aus Anlaß eines an die Universität Tübingen erhaltenen Rufes um einen
Urlaub von 8 Tagen nachgesucht hat, der ihm auch sofort bewilligt worden ist."64
Schon acht Tage später richtete die Medizinische Fakultät an den Akademischen Senat
ein Schreiben, das an das Innenministerium weiterzuleiten war, in dem u. a. steht:
„Wir glauben in vollem Einverständnis mit dem Akademischen Senat zu sein, indem
wir die Erklärung abgeben, daß der hiesigen Universität und der Medizinischen Fakultät
insbesondere daran gelegen sei, Herr Hofrath Kußmaul, über dessen hohe Verdienste
als akademischer Lehrer und Gelehrten wir uns jede weitere Erläuterung ersparen
zu können glauben, zu erhalten. Wir stellen deshalb an den Akademischen
Senat die dringende Bitte, mit allen Mitteln beim Großherzoglichen Ministerium da-
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