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Im Kreis Freiburg war die Versorgung durch Stiftungsvermögen außerordentlich
hoch. Noch 1910 rühmt eine Arbeit über Freiburg, daß die 33 Stiftungen, von denen
30 für Armenzwecke aller Art bestimmt waren, ein Gesamtvermögen von etwa 32,5
Mio Mark besaßen.15 Ein ungefährer Hinweis auf den Umfang der Armut ergibt
sich aus der Tatsache, daß im Bezirksamt Freiburg 1865 870, ein Jahr darauf 1005
meist arbeitsfähige Personen wegen Betteins bestraft wurden.16
1879 übernahm Freiburg das Elberfelder System. Die Stadt wurde in zehn Bezirke
eingeteilt, denen ein ehrenamtlicher Armenpfleger vorstand.17 Die Verteilung der
Mittel beschloß der Armenrat, der aus den Bezirksvorstehern, drei Stadträten, einem
Polizeibeamten, einem Geistlichen jeder Konfession und dem Armenarzt bestand.
1921 waren es 15 Bezirke, in denen drei beamtete Fürsorger, 95 ehrenamtliche Pfleger
sowie 12 Frauen tätig waren. Ein Pfleger hatte etwa vier Familien zu betreuen.18
Durch das Fürsorgegesetz von 1924 änderte sich die grundsätzliche Organisation
nicht. Der Armenrat hieß jetzt Fürsorgeausschuß und hatte sich personell etwas vergrößert
. Die Einteilung in Bezirke mit ehrenamtlichen Helfern blieb erhalten. Allerdings
hatten sich die Aufgaben der Fürsorge erheblich erweitert. Durch Weltkrieg
und Inflation waren das Stiftungsvermögen und das Vermögen der Sozialversicherung
wertlos geworden. Sozialversicherte, Kriegsopfer und Kleinrentner gehörten jetzt zur
Klientel der Fürsorge.19 Hinzu kam eine umfangreiche Fürsorge für Erwerbslose,
Tuberkulöse und Trinker, für die eigene Fürsorgeausschüsse gebildet wurden.
Über den zahlenmäßigen Umfang der städtischen Armenfürsorge gibt die auf der
folgenden Seite wiedergegebene Tabelle nur unzureichende Auskunft, weil die statistischen
Erhebungen vor 1900 recht unzuverlässig und nach wechselnden Grundsätzen
durchgeführt worden sind.20
Wie überall teilte sich die Armenfürsorge in eine geschlossene und offene Armenhilfe
. In Freiburg war bis zur Gründung der Kreispflegeanstalt die offene Armenhilfe
vorherrschend, für die geschlossene Pflege standen nur wenige Plätze zur Verfügung
.21
Seit 1826 gab es ein städtisches Arbeitshaus mit 30 Plätzen, das als Besserungsanstalt
mit Hilfe von Arbeitszwang konzipiert worden war.22 Nachdem Mitte der siebziger
Jahre die Stadt für diese Klientel ein Belegrecht im polizeilichen Arbeitshaus (und
späteren KZ) Kisslau im Kreis Bruchsal erhalten hatte, belegte man das Arbeitshaus
mit erwerbslosen und erwerbsbehinderten Männern, die von einem Wärter überwacht
wurden.23 90 Plätze standen im Heiliggeistspital für gebrechliche, minderbemittelte
Personen, die in Freiburg ortsansässig waren, zur Verfügung. 1884/85 wurden von der
Stiftung weitere 70 Plätze geschaffen und, gleichfalls aus Mitteln der Stiftung, 1897
das Altersheim und Kleinrentnerhaus Karthaus mit 200 Plätzen eingerichtet.
Bis zum Erlaß des Fürsorgegesetzes 1924, das wieder die offene Armenhilfe begünstigte
, wurden in Freiburg 30—40 % der Hilfsbedürftigen in eine Anstalt überstellt
. Vor dem Ersten Weltkrieg mußten 1,5—2 % der Freiburger Bevölkerung die
Armenhilfe in Anspruch nehmen, nach 1918 waren es im Durchschnitt 4 %, im Krisenjahr
1932 sogar 11 % der Bevölkerung.
Die offene Unterstützung wurde in der Regel in Geld gewährt, hinzu kamen Brennmaterial
und Kleider. Ein ständig wachsendes Problem war die Wohnversorgung. Um
Zwangsräumungen zuvorzukommen, hatte die städtische Fürsorge hohe Mietzu-
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