http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0263
Das Personal
In dem Wirtschaftsbau in der Mitte der Anlage befanden sich außer der Küche und
der Waschküche, den Trockenautomaten und dem Bügelzimmer ein großes Verwaltungszimmer
und zwei Wohnungen für den Verwalter und den Heizer, welche verheiratet
waren und Familien hatten. Das übrige Dienstpersonal war ledig und verstreut
untergebracht, die Wärter und Wärterinnen mußten in Verschlägen in den großen
Schlafsälen wohnen.
Schon bei der baulichen Planung wurde berücksichtigt, mit möglichst wenig Personal
auszukommen. Für ein Stockwerk mit 30 bis 40 Pflegepersonen war ein Wärter
oder eine Wärterin vorgesehen. Da diese in den Schlafsälen leben mußten, entfielen
die Nachtwachen. Ein Wärter erhielt 400, eine Wärterin 300 RM im Jahr, was Vio
des Gehalts war, das Dr. Eschbacher bezog. Die Löhne blieben 30 Jahre lang unverändert
, erst 1908 wurden sie mäßig erhöht.47 Außer den 13 Aufsichtspersonen waren
drei Köchinnen, zwei Waschaufseherinnen und ein Heizer, der zugleich Schlosser
war, und ein Bürogehilfe eingestellt.
Formell hatte der Kreisausschuß die oberste Leitung der Anstalt, die durch einen
Verwaltungsrat ausgeübt wurde. Dieser bestand aus dem Vorsitzenden des Kreisausschusses
, dessen Stellvertreter, dem Direktor der Anstalt und sieben Mitgliedern der
Kreisversammlung. Die reale Leitung lag aber bei dem Direktor der Anstalt, der nach
der Auffassung Eschbachers auf jeden Fall ein Arzt sein sollte. Nur ein Arzt könne
beurteilen, welches die wahren Bedürfnisse der Pfleglinge, der Grad ihrer Arbeitsfähigkeit
, das Ausmaß ihrer Leidenszustände und ihre richtige Verpflegung seien. Die
Auswahl des Dienstpersonals und die Ausübung der Disziplinargewalt könne nur von
einem Arzt geleistet werden.48
Die Insassen
Schon zwei Jahre nach Eröffnung der Anstalt war sie mit 320 Pfleglingen überfüllt.
Nach Fertigstellung aller Gebäude wurden jährlich etwa 650—730 Personen neu aufgenommen
, durchschnittlich 100 Männer mehr als Frauen. Ständig waren etwa 500
Personen anwesend, was etwa 2 % der Bevölkerungszahl des Kreises Freiburg entsprach
,49 im Winter immer einige mehr als im Sommer, weil viele alte Leute, „auch
wenn sie nur weniges mehr verdienen und arbeiten können, ... in der Zeit der besten
landwirtschaftlichen Beschäftigung ihre Entlassung verlangen".50 Sie kehrten dann
gewöhnlich im Herbst zurück.
1905 war knapp die Hälfte der Patienten älter als 60 Jahre; gut 4/s waren ledig, gefolgt
von den Verwitweten.51 Aus einer zufälligen Berufsliste von 1914 geht hervor,
daß es sich bei der Mehrzahl der Anstaltsinsassen um ehemalige Taglöhner und
Dienstmädchen handelte. Von den Handwerkern waren die Maurer am stärksten vertreten
. 1914 befanden sich nur drei Akademiker — ein Rechtsanwalt und zwei Studenten
— in der Anstalt.52
Im Durchschnitt waren etwa 25 % der Pfleglinge geistig behindert oder psychisch
krank, 25 % altersschwach und die übrigen 50 % litten an chronischen Krankheiten
oder Gebrechen: an Taubheit, Blindheit, Epilepsie, Alkoholismus, an Tuberkulose,
Magengeschwüren, Krebsleiden etc. Ein eindeutiges Schwergewicht der Krankheiten
läßt sich nicht bestimmen.53
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