http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1990/0133
Kuria, in Erledigung wegen unserm Austritt, wegen Ablegung des Ordens-Habitt behauptet
, die innere Uneinigkeiten scheinen die Auflößung des Stifts nothwendig zu
machen. Es ist äußerst kränkend in dem unglücklichsten Zeitpunkt, von der Geistlichen
Obrigkeit vor der Welt, und den Landesfürstlichen Behörden unschuldig gebrandmarkt
zu werden. Ein solch verdammendes Urtheil ohne alle Untersuchung,
und vielleicht gar ohne Klage schmerzet tief. Herr Vetter! unglücklich und vertrieben
kann ich wohl leben, aber entehrt wollen wir alle nicht sterben. Ich bitte um Ihren
weisen Rath, wie obiger Ausdruck zurückgenommen" werden kann,
Wessenbergs Antwort war ausweichend und schloß freundlich-formelhaft: „Gegenwärtig
bleibt mir nichts übrig, als mich dem gütigen Andenken, besonders beim Hl.
Gebeth zu empfehlen ., *'26
Uber den Abschied der Äbtissin und der Klosterschwestern von den Bediensteten
und den Bewohnern von Günterstal ist nichts bekannt. Aus den Akten ist auch nicht
zu ersehen, wann sie von Günterstal mit ihren wenigen Habseligkeiten an ihre neuen
Wohnsitze umgezogen sind. Vermutlich ist dies schon vor dem 23.10. geschehen. Auf
Grund des bischöflichen Dispenses hatten sie ihre Klostertracht abgelegt. Sie konnten
nun wieder eigenes Vermögen erwerben, waren aber gehalten, ihren Gebetsverpflichtungen
nachzukommen. Auch eine Heirat wäre nicht möglich gewesen. Die Einordnung
in die ihnen fremd gewordene Welt ist ihnen sicher nicht leicht gefallen. Die
Äbtissin war 1762 ins Kloster Güntersta] eingetreten, die beiden ältesten Stiftsdamen
bereits 1754. Die Laienschwester Martha Hartmann gehörte der Klostergemeinschaft
sogar schon seit 1743 an, ihre Mitschwester Kreszentia Weiß seit 1753.27 Die Äbtissin
nahm ihren Wohnsitz in Freiburg. Mit Anteilnahme und Trauer wird sie von dort
aus die Auflösung ihres Klosters verfolgt haben. Es war ihr aber nur noch eine kurze
Lebensspanne beschieden. Am 18. 8.1808 erhielt das Großherzogliche Finanzmini-
sterium die Mitteilung . . . „daß ... die vormalige Frau Äbtissin von Güntersthal,
Gräfin von Thum, dieser Tagen in Kolmar verstorben ... sey"28 Ihr Todestag war
der 13. 8. Das Grabmahl auf dem Alten Friedhof erinnert heute noch an die Verstorbene
. Ihre Verwandten erwarben 1810 das Anwesen Franziskanerstraße 9, an dessen
Vorderfront sie das Wappen der Thum und Valsassina anbringen ließen.29
Der zum Kreis der Verwandten gehörende Freiherr Albert von Pfirdt stiftete 1837
in seinem Testament30 1 000 Gulden, deren Zins für die Ärmsten der Gemeinde
Günterstal bestimmt war, und der Pfarrei 200 Gulden für eine jährliche Gedächtnis-
feier für die Familien von Thurn-Blideg und von Pfirdt. Die Verwandten der Äbtissin
haben also lange Jahre nach deren Tod — aber sicher ganz in ihrem Sinne — der
Armen von Günterstal gedacht.
Die Aufhebung des Klosters war auch für die Bewohner des kleinen Dorfes Günterstal
von großer Bedeutung. Fast 600 Jahre ist das Leben im Dorf vom Kloster geprägt
worden. Den letzten Amtmann des Klosters, Walser, übernahmen die badischen
Behörden. Er war künftig für die Verwaltung und Verwertung des früheren Klosterbesitzes
zuständig. Der noch vom Kloster eingesetzte Vogt Joseph Laubi und die vier
Richter des Ortsgerichts hatten die Verantwortung für die selbständig gewordene Gemeinde
Günterstal zu übernehmen und sie in die ebenfalls erst entstehende badische
Verwaltung des Breisgaus einzuordnen. Für die bisher meist auf Weisung der Äbtissin
handelnden Männer war dies keine leichte Aufgabe.
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