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nach eigener Einschätzung des Autors nicht allzu hoch zu veranschlagen ist, so wurde
der politische Wert von den Behörden um so höher eingeschätzt, denn das ungehinderte
Erscheinen dieses Liedes bewirkte die sofortige Absetzung des Freiburger Zensors
Finnweg.17
Generell waren solche drastischen Schritte im Großherzogtum eher selten. In vielen
Amtsstuben saßen ohnehin Polenfreunde, die durchaus gewillt waren, Anordnungen
aus Karlsruhe gegebenenfalls großzügig auszulegen. Selbst in der Landeshauptstadt
, die laut Erlaß des Innenministeriums von der den Polen zugewiesenen
Reiseroute nicht berührt werden sollte, hielten sich im Frühjahr und Sommer 1832
zahlreiche Polen auf. Unter ihnen befand sich der Dichter Adam Mickiewicz, der mit
mehreren Reisegefährten Gast des Oberpostdirektors v. Fahnenberg war.18 Dem Beispiel
der anderen Staaten folgend, übernahm die badische Regierung die Kosten für
Transport, Verpflegung und Unterkunft der polnischen Emigranten. Der Erlaß des
Karlsruher Innenministeriums vom 3. Februar 1832 setzte die Höhe der Bezüge auf
40 Kreuzer pro Mann und Tag sowie die genaue Zusammenstellung der Verpflegung
fest. Hinter dieser großzügigen Unterstützung stand natürlich ein politisches Kalkül,
Man war daran interessiert, die polnischen Soldaten schnell und reibungslos durch
badisches Territorium zu schleusen. Die zur Begleitung der Kolonnen abkommandierten
Gendarmen wurden angewiesen, auf die genaue Einhaltung der versprochenen
Leistungen zu achten, so daß „den Polen kein Anlaß zu Störungen und Unordnung
gegeben werde."19
Trotz ihrer toleranten Haltung gegenüber den Polen war die großherzogliche Regierung
nicht gewillt, Triumphzüge, wie sie in Freiburg üblich wurden, zu akzeptieren.
Bereits am X Februar, also unmittelbar nach Bekanntwerden der enthusiastischen
Szenen in Freiburg, ließ das Innenministerium die Route über Freiburg sperren. Den
sich noch in der Stadt aufhaltenden Polen wurde der kürzeste Weg nach Frankreich
über Breisach angewiesen.20 Die Ankündigung, daß es keine weiteren Durchzüge
von Polen geben werde, bewirkte, daß die Freiburger sich um so eifriger um die verbliebenen
Gäste bemühten und sich darauf verständigten, die Polen statt in Gasthäusern
nun in den Wohnungen der einzelnen Polenfreunde unterzubringen. Entsprechend
groß war die Freude, als am 10. Februar unerwartet eine weitere Gruppe von
Flüchtlingen eintraf:
„Der Enthusiasmus, womit man die Gäste empfing, war, wenn es möglich wäre, noch
lebhafter als bisher, vor allem unsere akademische Jugend ist wahrhaft begeistert.
Eine große Zahl derselben war den neuen Ankömmlingen entgegengeritten und geleitete
sie bis vor die Stadt. Hier mußten die Wagen halten, man spannte die Pferde ab
und trotz alles Sträubens der tapferen Helden wurden sie unter Zujauchzen der
Menge, vier Fahnen mit den polnischen Farben voran, in die Stadt gezogen,"21
Tatsächlich erwiesen sich die Freiburger Studenten als besonders polenbegeistert.
Schon am 6. Februar beklagte das Kuratorium der Universität „die seit einiger Zeit
häufigeren nächtlichen Ruhestörungen."22 Zwei Tage später äußerte sich die Kreisregierung
besorgt über die Auswüchse der Polenbegeisterung und forderte den Prorektor
Duttlinger auf, „nicht nur sämtliche Lehrer der hiesigen Hochschule zur ununterbrochenen
Fortsetzung ihrer Lehrstunden zu veranlassen, sondern auch dem
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