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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1990/0147
bücher Varnhagens über die badischen Zustände, so sollte man meinen, es hätte sich
in Baden seit dem Landtag von 1819 ein ungemein lebhaftes politisches Treiben erhalten
. Das war aber nicht so. Nur die regierende Kaste, die Gelehrten und höhere Beamtenkreise
hatten politische Gedanken, hatten politische Ziele, der Bürgerstand
kaum eigene Erstellungen und die Bauern mißtrauten allem, was die Herren sagten,
Die arbeitenden, ärmeren Klassen, die Jugend und die Frauen waren diesen politischen
Regungen bis zum Landtag 1831 fast ganz verschlossen geblieben,"26

Dieses zunehmende Interesse einer breiten Öffentlichkeit am politischen Geschehen
fiel zeitlich mit der Polenfreundschaft zusammen, beide Entwicklungen traten mit-
einander in Wechselwirkung. Ohne „Öffentlichkeit" wäre die Polenfreundschaft
keine breite Bewegung geworden, wäre sie, wie die Philhellenenbewegung der 20er
Jahre, vor allem den Zirkeln des Bildungsbürgertums vorbehalten geblieben. Umgekehrt
wurde die Polenfreundschaft zum Testfall für die neu gewonnenen Freiheiten
und zum Identifikationspunkt, mit dessen Hilfe die liberale Führungsschicht die Öffentlichkeit
in hohem Maße mobilisieren konnte, wobei die persönliche Anwesenheit
der „polnischen Helden" diese Entwicklung noch beschleunigte. In Karlsruhe und
Freiburg entstanden im Februar und März spezielle Frauenvereine, die es sich zur
Aufgabe machten, die oft mißliche finanzielle Situation der polnischen Emigranten
durch die Ausspielung von Lotterien zu verbessern.27 Obwohl sich die Aktivitäten
dieser Frauenvereine auf spezifisch „weibliche" Tätigkeiten wie das Verlosen von
Handarbeiten beschränkten, erschien dieses öffentlichkeitswirksame Engagement der
Frauen den Behörden besonders verdächtig. Auf dem Höhepunkt der Polenbegeisterung
wurde dem Karlsruher Frauenverein die öffentliche Ankündigung einer Lotterie
zugunsten der Polen polizeilich untersagt. Dennoch gelang es dem Verein, nahezu
1000 Lose abzusetzen.28 Das liberale Bürgertum betrachtete die Polen als Personifikation
der Freiheit schlechthin, und mitunter wurde ihre Anwesenheit dazu benutzt,
um weniger am politischen Geschehen beteiligten Bevölkerungsgruppen den liberalen
Freiheitsgedanken sozusagen „leibhaftig" vor Augen zu führen. Josef Zielinski, der
im Februar 1832 durch Baden zog, berichtet, daß „bei Freiburg in Baden und in anderen
Orten einflußreiche Personen Bauern massenweise an die Straßen geführt hatten,
auf denen die Polen fuhren, und, um Bewunderung hervorzurufen, ihnen diese zeigten
, die die Fesseln der Unfreiheit zerbrachen und für die Unabhängigkeit nicht zögerten
, das Leben und alles andere zu opfern."29

Auch die „Freiburger Zeitung" wagte sich zusehends in ihrer Berichterstattung
über bloße Sympathiebekundungen für die polnische Sache hinaus. Eingeflochten in
detaillierte Beschreibungen der Festlichkeiten zu Ehren der polnischen Gäste, finden
sich unmißverständliche Warnungen an die Adresse der Regierenden;

„... und nicht der Geist der Mildthätigkeit allein wars, der ihnen begegnet, es war
der Geist der FREIHEIT, der sie begrüßt. So schlingen die wandernden Polen das
Band um die Nationen, das fester jetzt knüpfet, als selbst siegreich sie es vermocht
hätten. Der Volksgeist ist erwacht, eine mächtige Aussaat ist geschehen, die Blüthe
und Frucht wird sicher nicht ausbleiben. Mögen die Gewaltigen der Erde die Sympathie
der Völker, mögen namentlich unsere teutschen konstitutionellen Fürsten die Sympathie
des teutschen und des polnischen Volkes nicht verkennen!'130

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