http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1990/0151
mißtrauischen Anfragen des Karlsruher Innenministeriums. Vor allem der Briefkontakt
des Studenten Bonkowski mit Joachim Lelewel erregte die Aufmerksamkeit der
Karlsruher Behörde. Der Regierungsdirektor Karl August Beeck wurde aufgefordert,
über die Aktivitäten der polnischen Studenten Bericht zu erstatten. Beeck war bereits
von Bonkowski selbst über seine Korrespondenz mit Lelewel unterrichtet worden und
hatte sich mit Bonkowskis Erklärung, er übersetze ein „Geschichtswerk des Lelewel",
zufrieden gegeben. Beeck trat für ein Verbleiben der polnischen Studenten ein und
bemühte sich, die Bedenken zu zerstreuen, mußte aber gleichzeitig zugeben, daß
mangels polnischer Sprachkenntnisse der Sachverhalt nicht zufriedenstellend zu klären
sei:
„Das er, Bonkowski, nebenbei auch noch eine Korrespondenz verdächtigen Inhalt mit
demselben Lelewel führe, sei nicht dargethan, auch wohl schwer zu ermitteln, da
außer den wenigen hier sich aufhaltenden Polen niemand in der polnischen Sprache
bewandert ist (.. .)."49
Beeck gelang es offenbar nicht, die Karlsruher Vorbehalte zu zerstreuen. Noch im
gleichen Jahr wandte sich Bonkowski an Lelewel in Brüssel mit der Bitte, ihm bei
der Arbeitssuche in Paris behilflich zu sein, denn „es werde immer schwieriger, in
Freiburg zu bleiben."50 Im Frühjahr 1834 verließen alle drei Studenten Freiburg.
Der Kontakt zu den Freiburger Polenfreunden brach dennoch nicht ab. 1835 bedankte
sich Bonkowski ebenso wie sein Landsmann Ludwik Orpiszewski in einem Brief an
Rotteck für die gastfreundliche Aufnahme.51
Bereits zeitgenössische Kritiker warfen den Polenfreunden vor, sie hätten sich über
den wahren Charakter des Novemberaufstandes getäuscht, ihn fälschlich für die Erhebung
eines ganzes Volkes gehalten und vor allem die Auswirkungen auf die deutschen
Teilungsgebiete im Falle eines polnischen Sieges nicht bedacht. Beide Argumente
sind zwar sachlich richtig, gehen aber an der eigentlichen Zielrichtung der
Polenfreundschaft vorbei. Die Liberalen sahen den Aufstand unter dem Gesichtspunkt
seiner spezifisch „deutschen" Umsetzbarkeit: Für sie handelte es sich um eine
Art „politischen Glaubenskriegs"52, der nicht nur über das Schicksal Polens, sondern
auch über die politische Zukunft Deutschlands entscheiden werde. Man sah die
polnischen Aufständischen in erster Linie als Verkörperung der liberalen Traditionen
der polnischen Verfassung vom 3, Mai 1791 und damit als natürlichen Bundesgenossen
im eigenen Kamf um liberale Reformen. Der Aspekt des nationalen Befreiungskampfes
war nur insofern von Bedeutung, als er sich ausschließlich, wie auch von
der polnischen Seite betont wurde, gegen Rußland richtete und daher die Problematik
der deutschen Teilungsgebiete 1831 /32 nicht auf der politischen Tagesordnung stand.
Wie wichtig das Fehlen des nationalen Gegensatzes war, zeigte sich 1846/48, als die
polnischen Unabhängigkeitsbestrebungen die nationalen Interessen der Deutschen in
Krakau und im Großherzogtum Posen berührten. Dementsprechend waren polen-
freundliche Äußerungen in der deutschen Öffentlichkeit 1846/48 im Gegensatz zu
1831/32 eher selten. Ohne Zweifel müssen bei der Bewertung der deutschen Polenfreundschaft
psychologische und philantrophische Gesichtspunkte berücksichtigt
werden, in erster Linie war sie jedoch Ausdruck des Anspruchs einer breiten Öffentlichkeit
auf politische Mitbestimmung:
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