http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1990/0195
Ein deutscher Aufklärer, der es in seiner schillernden politischen Karriere vom mittellosen
Absolventen des Tübinger Stiftes zum Grafen und Pair von Frankreich brachte, war der französische
Diplomat Karl Friedrich Reinhard. Ein Franzose, nämlich der Professor der Universität
Clermont-Ferrand Jean Deliniere, legt nun die erste wissenschaftliche Biographie Reinhards
vor. Auf der Grundlage von Archivstudien in Frankreich, Deutschland, Osterreich und
der Schweiz zeichnet Deliniere das Bild eines wendigen Diplomaten, der seine politische Karriere
1791 in Paris begonnen hatte, und der sie unter der Regentschaft Napoleons ebenso festigen
konnte wie unter der Regierung Ludwigs XVIII. Delinieres umfangreiche Studie ist eine
brilliant und unterhaltend geschriebene Biographie von hohem wissenschaftlichen Wert. Die
einzeln aufgelisteten Autographen in deutschen Archiven könnten allerdings noch ergänzt wer™
den durch einen Brief im Bestand des Freiburger Stadtarchives, den Reinhard am 5. Oktober
1835 an Karl von Rotteck richtete. Anläßlich seines Besuches in Freiburg bedauerte Reinhard,
das berühmte Freiburger Mitglied der I^riser Akademie der Wissenschaften nicht persönlich
angetroffen zu habens zumal sich bei Reinhards fortgeschrittenem Alter wohl kaum noch eine
zweite Gelegenheit für einen Besuch ergeben würde. Das Treffen fand am Abend des
5. Oktober doch noch statt, und Deliniere zitiert aus Reinhards Bericht an Ignaz v. Wesenberg:
„In Freiburg habe ich am Abend des 5. Oktober Herrn Rotteck kennengelernt, einen geistvollen
Mann, der ziemlich heiter und fast lebhaft plauderte; Virginie behauptete, er habe nach
Wein gerochen "
Kein Franzose, sondern ein Deutschamerikaner hat sich einer Biographie des Konstanzer
Bürgermeisters Karl Hüetlin (1806—1861) angenommen. Elmar B. Fetscher ist Professor an der
Universität von Orlando /Florida, und sein Interesse gilt besonders der Badischen Gemeindeordnung
von 1832. Mit einer generellen Tendenz zur Dezentralisierung der Staatsgewalt hatte
das neue Gesetz in Konstanz einer politisch höchst aktiven Bürgerschaft mit Karl Hüetlin an
ihrer Spitze zur Macht verholfen, Obwohl Hüetlin sich von der in Konstanz ausgerufenen
„Teutschen Republik" des Friedrich Hecker unüberhörbar distanziert hatte, wurde er als liberaler
Kommunalpolitiker 1849 in den Ruhestand geschickt. Bedauerlich ist es, daß Fetscher
sich auf Hüetlins Amtszeit von 1832—1849 beschränkt, denn für den Werdegang des späteren
Politikers war sein Jurastudium an der von Rotteck und Welcker dominierten juristischen Fakultät
in Freiburg von entscheidendem Einfluß, Als liberaler Vorposten im Seekreis war Hüetlin
eng in das Beziehungsgeflecht der badischen Opposition einbezogen, und eine allgemeinere
Einordnung in die politischen Ereignisse hätte sich auch bei einer Darstellung der Amtszeit
als Bürgermeister angeboten. Fetscher beschränkt sich bewußt auf die Ereignisse in Konstanz
und zeichnet somit das präzise Bild einer selbstbewußten und demokratischen Kommunalpolitik
, die ein Markstein auf dem Weg in die badische Revolution von 1848/49 gewesen ist. Zur
Ergänzung sei auf die Korrespondenz Karl Hüetlins und verschiedener Mitglieder des Konstanzer
Gemeinderats mit Karl von Rotteck in den Beständen des Stadtarchivs Freiburg hingewiesen
. Nicht von ungeMir war Hüetlins ehemaliger Lehrer 1830 auch in Konstanz zum Landtagsdeputierten
gewählt worden. Rüdiger v. Treskow
Jan Kosim, Przeciw ^wietemu przymieru. Z dziejöw wspölpracy demokratöw polskich i nie-
mieckich w latach trzydziestwych XIX w, {Gegen die Heilige Allianz. Aus der Geschichte der
Zusammenarbeit polnischer und deutscher Demokraten in den dreißiger Jahren des 19, Jahrhunderts
), Pänstwowe Wydawnictwo Naukowe. Warschau 1988. 389 S.
Jan Kosim zählt zu den besten Kennern der deutsch-polnischen Beziehungen im 19. Jahrhundert
, gerade auch im Umfeld des gescheiterten Aufstandes von 1830/31 im Königreich Polen
gegen die zarische Oberherrschaft. In vier Kapiteln untersucht er im vorliegenden Buch die
Verbindungen zwischen polnischen und deutschen Demokraten nach dieser Erhebung, Nach
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