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bürg. Bei aller Katholizität konzentriert sich Hansjakob aber doch auf die deutschsprachigen
— also auf die in der Mehrheit der Bevölkerung protestantischen — Kantone.
Die Osterreichreise, deren Reflexionen auch intensiv die Nationalitätenproblematik der Donaumonarchie
im Zusammenhang mit den Tschechen in Böhmen behandeln, fand 1900
(6.—24. September), die Schweizreise vom 17, Juni bis 17, Juli 1904 statt. Die letztere ist ebenfalls
geprägt von detaillierten Kenntnissen der schweizerischen Geschichte von den Anfängen
über französische Revolution, Napoleon, den Schweizerischen Kulturkampf bis zu den Sonderbundskriegen
. Sie liefern die Folie, vor deren Hintergrund die Gegenwart gesehen, besser
gesehen und auch besser verstanden werden kann. Diese Eigenart Hansjakobschen Schreibens
, nach der Geschichtsverständnis überhaupt erst zum Sehen und Verstehen befähigt, macht
vor allem seine Schweizreise m, E, zu einem wertvollen Reiseführer auch für das Jahr 1990
— wer unter unseren Touristen ist schon mit der helvetischen Geschichte etwa der 2, Hälfte
des 19. Jh, vertraut?
Im Vergleich zu den „Letzten Fahrten", in deren besten Partien sich Hansjakob intensiv mit
dem Barock und seinem Katholizismus beschäftigt, gewinnen die „Alpenrosen" stärkere Darstellungskraft
, wenn ihre geistige Mitte der für Hansjakob zentrale Freiheitsgedanke ist, dessen
Realität er bei aller kritischen Reflexion der Schweizerischen Realgeschichte immer wieder
im Einzelnen aus der Bevölkerung gespiegelt findet.
In beiden Werken verstärkt sich die Tendenz des Pfarrers von St, Martin zum Raisonnement
über sich selbst und die Zeitumstände, die stellenweise zu prägnant-brillianten Formulierungen
führt, deren zentrale Stichwörter die Knechtseligkeit der Fürstendiener, die „Wibervölker"
und das Thema Kultur als Naturverderbnis sind. Nun könnte man einige dieser Ausführungen
in die Nähe dessen rücken, was man heute Stammtischgerede nennt — die argumentationsschwache
Verbalisierung von Vorurteilen —, aber generell wird man sich doch am Engagement
des älteren Herren, an seiner Bissigkeit und auch daran erfreuen, daß man sieht, wie
heute scheinbar ganz neue, sogenannte „grüne" Topoi des populären Weltverständnisses auch
ihrerseits schon lange Traditionen haben.
Beide Bände enthalten ein teilidentisches Nachwort von Helmut Bender und den bewährt
nützlichen Kommentar in Anmerkungen zu zeitspezifischen Elementen der Werke wie schon
der erste Band; letztere könnte man sich allerdings noch ausführlicher denken — was ist z. B,
„zäzilianisch" — „Letzte Fahrten*4 S. 128 — ? Es folgt jeweils der standardisierte Lebenslauf
Hansjakobs und ein Ortsverzeichnis der besuchten Orte, wobei allerdings in den „Letzten
Fahrten" Maßstab für ihre Aufnahme ihr heutiger Bekanntheitsgrad, aber nicht ihr Rang im
Werk selbst zu sein scheint, So ist z, B. Salzburg aufgenommen, obwohl wir darüber nur auf
einer halben Seite (S. 406) von einem Aufenthalt des Zuges auf dem Bahnhof hören, Ebersberg
(S. 292—295) aber nicht, obwohl Hansjakob diesen Namen zu eindrücklichster Schilderung
von Kriegsereignissen nutzt und zu einer Verurteilung Napoleons wie — leitmotivisch — des
Krieges an sich.
Insgesamt eine lohnende Lektüre schon deshalb, weil auch diese beiden Bände wieder bestätigen
, daß die Reiseerinnerungen am meisten über Hansjakob und seine Zeit erkennen lassen
und diese damit für uns heute attraktiver sein dürften als sein eigentliches erzählerisches
Werk, von Ausnahmen natürlich abgesehen.
„im Schwarzwald" umfaßt nicht von Hansjakob autorisierte Auszüge aus seinen erzählerischen
Werken, wie das auch neu mitabgedruckte Vorwort des Autors bereits deutlich macht.
Neben der berühmten „Karfunkelstadt" (aus „Schneeballen — erste Reihe", Heidelberg 1892)
mit ihrer Poesie vom Untergang der Vergangenheit in all ihrer (verklärten) Ärmlichkeit rindet
sich Biografisches („Die Heimat", „Das Vaterhaus", „Freunde und Kameraden") und Anekdotisches
. Die ungeschickten Ausschnitte „Der heilige Leutnant" und „Die Leiden der Bauern
im Dreißigjährigen Krieg" aus „Der Leutnant von Hasle", Heidelberg 1896, machen das Frag-
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