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regelt war, oder wo eigene Bürgerglocken neben kirchlichen Läutwerken im Kirchenturm
ihren Platz einnahmen. In anderen Städten scheint es jedoch mit der Geistlichkeit
zu Differenzen über diese Dinge gekommen zu sein. Die Kirchenglocken waren
nämlich häufig geistlichen Weihen unterworfen und galten daher als kultische Objekte
.277 Ihr Läuten sollte ferner Unwetter und andere Gefahren abwehren.278 Deshalb
wurde das weltliche Glockenläuten etwa bei Bekanntmachung von gerichtlichen
Todesstrafen und Stadtverweisungen von der Geistlichkeit als unpassend für ihre Kirche
empfunden. Auch die Unterhaltung der Türme, die wegen schnellen Verschleis-
ses häufiger erforderliche Anschaffung neuer Glocken und die Kosten für die Wächter
und Glöckner dürften Anlaß zu weiteren Differenzen gegeben haben.279 Deshalb
strebten die werdenden Kommunen bald danach, eigene Glocken für ihre Zwecke in
ihren ungehinderten Besitz zu bekommen. So war es sicher nichts Neues, wenn sich
beispielsweise die Bürger von Tournai, einer der frühesten und bedeutendsten Städte
der westlichen Niederlande, 1188 vom französischen König Philipp August das Vorrecht
erteilen ließen, ut campanam habeant in civitate in loco ydoneo ad pulsandam
ad voluntatem eorum pro negotiis ville.2S0 Wenige Jahre später hatten sie bereits einen
eigenen als Beffroi bezeichneten Turm in ihrem Besitz, der seinen Platz unweit
des Marktes neben der anscheinend bis dahin zur Unterbringung des Geläutes benutzten
Kathedralkirche innehatte (Abb. 13a+b)281 Eingehendere Nachforschungen
würden sicher ergeben, daß es ähnliches im übrigen Frankreich schon früher gab.
Abb. 13 Tournai, Beffroi: a. Auf Stadtsiegel
des 14. Jahrhunderts, b. Zustand Mitte des
19. Jahrhunderts. Im Hintergrund die Kathedrale
mit fünf (!) Türmen.
(Charte de Huy, 1966, nach S. 492; Battard,
wie Anm. 256, S. 40)
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