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nügend Raum für die Durchfahrt von Wagen frei bleiben. Man wird also davon ausgehen
können, daß der nun 1829 erbaute neue Radbrunnenturm von seinen Vorgängerbauten
in Grundriß und Aufbau nur wenig abgewichen sein dürfte.377
Dies wird m. E. auch durch eine Betrachtung der baulichen Verhältnisse um das
genannte Bauwerk bestätigt. Brauchbare Pläne des früheren Marktes (Radbrunnenallee
) liegen freilich erst aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts vor.378 So zeigt
der Plan der durch die französische Beschießung von 1793 verursachten Schäden des
Rheinbauinspektors Wampe, eines gebürtigen Breisachers, den gleichen Befund wie
eine heute in Wien aufbewahrte Karte der Festung Breisach (Abb. 27). Beide Pläne
lassen erkennen, daß die Flucht der Gebäude auf der Westseite des früheren Marktes
von Nord nach Süd fast gradlinig verlief. Anders die östliche Fluchtlinie der Marktstraße
. Hier tritt die Fluchtlinie kurz südlich vor dem Radbrunnenturm etwa 2 bis
3 m zurück. Erst nördlich dieses Bauwerkes springt sie um etwa die gleiche Distanz
im rechten Winkel wieder vor. Es ist schwer vorstellbar, daß eine Veränderung der
Straßenflucht erst nachträglich vorgenommen worden sein könnte, denn das hätte si-
cherlich wiederum Änderungen im Grundstücksgefüge an dieser wichtigen Stelle zur
Folge gehabt. Auf die Bedeutung derartiger Beobachtungen hat Erich Keyser hingewiesen
, indem er feststellte: „das Vorspringen oder Zurücktreten einiger Grund-
stücke geben wichtige Aufschlüsse über ihre Entstehung" 379 Ahnliches gilt nach
Keyser auch für den Verlauf der Straßen. Daher muß man für Breisach zu der Folgerung
gelangen, daß die beim Beginn der Errichtung der Kaufmannsniederlassung auf
dem Breisachberg in den Grundzügen festgelegten Straßenführungen bis in die Neuzeit
konstant gewesen sein dürften. Nur in Einzelfällen und im Falle besonderer Ausnahmen
dürfte man davon abgegangen sein.
In Breisach muß sicher berücksichtigt werden, daß sich der Ausbau einer relativ
umfangreichen neuen Stadtanlage auf dem Breisachberg über einige Jahrzehnte hingezogen
haben dürfte.380 Daher kam es offenbar während des Baues der Marktsiedlung
zu einer Abweichung von den ursprünglich vorgesehenen Fluchtlinien. Wegen
der Nähe zu dem in der nördlichen Unterstadt gelegenen Rheinhafen wurde die Westhälfte
der Oberstadt vermutlich zuerst besiedelt, der Ostteil dagegen erst einige Zeit
später. Dafür gibt es weitere Indizien, die hier nicht eingehender behandelt werden
können. In der Zwischenzeit dürfte man den Plan gefaßt haben, über dem Stadtbrunnen
in der Stadtmitte ein größeres zentrales städtisches Gebäude zu errichten. Da neben
diesem Bauwerk Platz für den Wagenverkehr sowohl auf der West- wie auf der
Ostseite frei gelassen werden mußte, griff man zu dem Ausweg, daß man die Westmauer
des Neubaus ganz dicht an den Brunnen heranrückte, während auf der Ostseite
Platz dadurch geschaffen wurde, daß hier die offenbar noch nicht bebaute Fluchtlinie
nach Osten zurückgenommen wurde. Die erforderlichen Maßnahmen könnten aber
eigentlich nur in der geschilderten Weise während der Zeit der zweiten baslerisch-
staufischen Herrschaft, allenfalls in der Zähringerzeit der Stadt, erfolgt sein. Zwischen
1198 und 1218, als die Zähringer Breisach innehatten, ist aber die Errichtung
des Radbrunnenturms unwahrscheinlich, denn ähnliches kommt in den von dieser Familie
eingerichteten Städten nicht vor. Dagegen konnten wir zeigen, daß die Staufer
solche zentralen, im Westen als Beffrois bezeichneten Stadttürme kannten.381 Es
wird demnach sehr wahrscheinlich, daß der erste Radbrunnenturm im beginnenden
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