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sich ergebende nachträgliche Beschwerden verhütet werden können". Risler & Cie
setzten deshalb einen extra hohen Blechschornstein auf ihre 1863 in Betrieb genom-
mene Lokomobile. Uberlange Kamine zum Ableiten von Rauch und Ruß wurden
auch von den Ende des 19. Jahrhunderts während der damaligen Baukonjunktur entstandenen
Feld-Backsteinbrennereien gefordert. In den damals erbauten Villenvierteln
regte sich nachdrücklich der Widerstand gegen Umweltverschmutzer, Ein Beschwerdeschreiben
vom 17« September 1890 richtete sich gegen die von der Ziegelei
des Fabrikanten Mathis am Schlangenweg betriebene Lokomobile, „durch deren
Rauch — abgesehen von dem schädlichen Einflüsse auf die Vegetation — die ganze
Nachbarschaft belästigt wird".28 Einem wachen Umweltbewußtsein, hervorgerufen
nicht zuletzt durch die besondere klimatische Lage der Stadt, widerstrebte schon im
vorigen Jahrhundert in Freiburg einer — anderswo überschäumenden — Technikbegeisterung
und ließ Bedenken gegen manche Industrieansiedlung aufkommen.
Wenn man von dem lebendigen Erfindergeist der Freiburger und den örtlichen
Möglichkeiten der Ausnutzung billiger Wasserkraft absieht, so sprachen eigentlich
mehr Momente in Freiburg gegen eine Industrieansiedlung und kraftvolles industrielles
Wachstum als dafür. Ein besonders zu Buche schlagender Faktor der Standortungunst
bildeten die hohen Transportkosten für den Bezug von Rohstoffen, Metallen
und Kohle sowie für den Absatz der Freiburger Halb- und Fertigfabrikate. Seit Jahrzehnten
klagte die Freiburger Industrie sicher mit Recht über schlechte und teuere
Transportverhältnisse. Den Widersinn der eigenen Situation sprach der Handelskammer
-Bericht von 1874 mit dem Satz an: In einem Atemzug fordert man uns von Berlin
aus auf, billiger zu arbeiten und „ladet aber auch zugleich die Eisenbahnen ein, provisorisch
ihre Frachtsätze um 20 % zu erhöhen".29 Und im Kammer-Bericht von
1882 ist die oft wiederholte Frage der Stadt und der Handelskammer nach einer besseren
Eisenbahnverbindung mit dem Unterland und dem Schwarzwald zu lesen.30
Die Transportkosten absolut und im Verhältnis zum Wert der Verkaufsprodukte
möglichst niedrig zu halten, war daher wohl von Anbeginn ein unbedingt zu beachtendes
Gebot der Unternehmensführung am Standort Freiburg. Verstöße dagegen ließen
sich auch deshalb um so weniger verkraften, je höher die Arbeitskosten im Vergleich
zu anderen Produktionsstandorten stiegen. Die Beschränkung des Absatzes auf
die Nachfrage des heimischen Marktes der unmittelbaren Umgebung war unter den
gegebenen Umständen für viele Betriebe eine selbstverständliche, aber eine nicht weniger
mit Risiken behaftete Unternehmensphilosophie. Vielleicht waren Aufstieg und
Ende von Kuenzer & Cie ein gutes Beispiel hierfür. Nach der Zollvereinsstatistik von
1858 machte die Firma als Zichorienfabrik bei einem Rohstoffeinsatz von 60 000 fl
(über 100000 M) einen Jahresumsatz von etwa 240000 M. 800 bis 1000 Morgen
Ackerland wurden um 1870 mit Zichorie bepflanzt. Neben den Mocca-, Tafelkaffee-
und Dampfkaffee-Zichorien war man schon in den 1840er Jahren mit den Schaumweinen
, moussierenden Markgräflem und Kaiserstühlern, den echten Champagnern
im Geschmack ähnlich, gut im Geschäft. Der Zichorienabsatz, so der Handelskammer
-Bericht von 1874, ging dank der hohen Kaffeepreise auch in der Gründerkrise
ziemlich gut. Daran änderte sich kaum etwas in der Folgezeit. Auch die „blühende*4
Garnison in Freiburg, bestehend aus einem Divisions- und zwei Brigadekommandeuren
, einem Infanterie- und einem Feldartillerieregiment, insgesamt 2827 Militärper-
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