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bare, nicht leicht zu überwindende Hemmschwelle dar. Aus dem gleichen Grunde
richteten die Gebrüder Kapferer, die Bankiers, statt in Freiburg ihre Baumwollweberei
im säkularisierten Propsteigebäude in Waldkirch ein, zumal die Mechanische
Baumwollweberei des Herrn von Hermann im nahen, ehemaligen Kloster Günterstal
auch bereits viele Arbeitskräfte an sich gezogen hatte.61 Um sich einen zuverlässigen
, betriebstreuen Arbeiterstamm zu erhalten und dessen materielle Lage zu verbessern
, wurden von den größeren Freiburger Unternehmen beispielhafte soziale Einrichtungen
zugunsten der Arbeiter früher als in anderen südwestdeutschen Städten ins
Leben gerufen. Für Jungarbeiterinnen, die nicht aus Freiburg stammten, ließ Carl
Mez 1851 eine Pensionsanstalt errichten, ein Heim mit Schlafsälen, Garderoben,
Badeanstalt und mit täglicher Beköstigung zu mäßigem Preis.62 Bei Mez wurden
alte, mit der Firma seit langem verbundene Arbeiter nicht gekündigt, sondern ohne
Lohnkürzung bei verkürzter Arbeitszeit weiter beschäftigt. Arbeitsunfähig gewordene
Mitarbeiter wurden in den von der Firma erbauten Arbeiter-Wohnhäusern bis
an ihr Lebensende versorgt. Auch zur Knopffabrik Risler & Cie gehörten 1870 eine
Betriebskantine, eine Betriebssparkasse (seit 1867), ein Heim für Jungarbeiterinnen
und 41 das Stadtbild prägende zweistöckige Arbeiterhäuser.63 Der Fabrikarbeiter
Theodor Hecht, Besitzer eines Sparbuchs der Fabrik-Sparkasse Risler & Cie, hinterließ
bei seinem Tode im Jahre 1895 seiner Witwe ein Netto-Vermögen von beachtlichen
2 560 M. Die älteste Betriebssparkasse Badens bestand seit 1835 bei Carl Mez
& Söhne. Sie verwaltete Ende 1868 von 313 Einlegern ein Sparkapital von 16 673 fl.
Die Verlagsbuchhandlung Herder gründete 1873 eine Betriebssparkasse für Angestellte
und Arbeiter, um auf deren Sparkonten den von der Firma gezahlten halben
Tageslohn für Feiertage und die erstatteten Versicherungsbeiträge der Arbeiter gutzuschreiben
. Das war die erstmals in der deutschen Sozialgeschichte bezeugte Lohnfortzahlung
für Feiertage. Die Papierfabrik Flinsch KG, die — im ausgehenden
19. Jahrhundert bei lebhaftem Geschäftsgang stark expandiert — bis 1882 die Tagesproduktion
auf 3500 kg Papier steigerte, hatte dauernd mit den Problemen der Beschaffung
von Arbeitskräften zu kämpfen, obwohl sämtliche Arbeiter in fabrikeigenen
Häusern untergebracht waren.64 Bei den eingestellten Tagelöhnern gehörten
häufige Fluktuationen zur Tagesordnung. Die stark gestiegene Nachfrage nach billigem
Zeitungspapier hatte dessen Herstellung wieder lohnend gemacht, aber bis 1900
dazu geführt, daß die Papierfabrik, die Papiere aller Art herstellte, ca. 160 Arbeiter
beschäftigte, darunter 60 Arbeiterinnen. Das Gewerbesteuerkapital der Flinsch KG
stieg von 1877 bis 1899 um 74 % (von 252 000 M auf 438 000 M). Fabrikarbeiterwohnungen
wurden auch von der Baumwollspinnerei Krumeich und der Zichorienfabrik
Kuenzer bereitgestellt.
Auf andere Grenzen des Wachstums stieß Flinsch bereits 1884, als er das Gesuch
zur Errichtung einer Fabrikanlage zur Zelluloseherstellung unterbreitete und ihm auferlegt
wurde, die Unschädlichkeit der Abwässer der Trickschen Zellulosefabrik bei
Kehl nachzuweisen. Bezüglich der Abwässer dieser Fabrik bestätigte zwar die Ge-
meinde Kehl: „Ubier Geruch ist noch in keiner Weise bemerkbar geworden", doch
wurde Flinsch vom Rathaus die Genehmigung zum Betrieb einer Zellulosefabrik in
Freiburg aus sanitätspolizeilichen Gründen versagt.65 Für Betriebe, die Natur und
Umwelt schädigten, das „Interesse der öffentlichen Reinheit und der Gesundheit"
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