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geöffnet, und die Preise waren sehr niedrig. Es machte einen friedlichen, glücklichen
und behaglichen Eindruck.
In einem Kaffeehaus sahen wir ein Mädchen Eiskrem und Brezeln frühstücken; ihr
gegenüber saß ein Offizier in voller Uniform mit dem Eisernen Kreuz auf der Brust,
sein flacher Rücken war noch eindrucksvoller als sein hageres, blasses Gesicht; und
wir sahen Mütter, die ihren rosigwangigen Kindern Bier aus Halbliterkrügen zu trinken
gaben.
Von Panik, Republikbegeisterung oder Unterernährung keine Spur. Alle schienen
wohlgenährt, niemand in Panik, niemand zufrieden, und an den Wänden sämtlicher
Gasthäuser und Kneipen hingen Bilder von Friedrich, dem Großherzog von Baden,
und der Großherzogin"36
Der Besuch des Marktes am Samstagvormittag entspricht dem rekonstruierbaren
Zeitgerüst: Am 3. August, einem Donnerstag, hatten die Reisenden die Grenze überquert
.37 Vielleicht erreichte man noch am selben Tag Freiburg und quartierte sich
ein.38 Für den Samstagsmarkt kommt somit nur der 5. August in Frage. Interessanterweise
war in der Freitagsausgabe der , Freiburger Zeitung' ausgerechnet auf der
Titelseite ein Inserat zu lesen, das die in Freiburg am Franziskaner-Platz ansässige
Firma ,Hüte Trescher' anpries. Hemingway wird nicht nur den Tageskurs der Mark
auf den Titelseiten der Zeitungen studiert, sondern auch Vorbereitungen für die baldige
Weiterreise in den Schwarzwald getroffen haben.
Über den Fluß und in die Wälder
Warum Triberg nicht Michigan ist
Im Grunde hielt er die nahegelegene Berglandschaft für ein Angelparadies, und das
Angeln war schon früh eine seiner großen Leidenschaften. Als literarisches Motiv
sollte es sein Werk von den frühesten Texten an ständig begleiten. Wen wundert es
da, daß die Urlauber schon nach vier Tagen wieder ihre Sachen packten und die süddeutsche
Kleinstadt in Richtung Triberg verließen? Der Schwarzwald mit seinen
Forellenbächen war das ersehnte Ausflugsziel Hemingways. Doch die Freude blieb
nicht ungetrübt.
Einzelheiten sind einem Zeitungsbericht zu entnehmen, der am 2. September 1922
im ,Toronto Daily Star4 erschien, also nur einen Tag nach dem Freiburger Artikel.39
Er wurde, ebenso wie der vorhergehende Beitrag, am 17. August abgesandt40 und
gibt „Triberg-in-Baden, Germany" als Ort der Berichterstattung an. Der Berichtszeitraum
umfaßt die Tage vom 7. bis 10. August, die Touristen waren demnach möglicherweise
am Montag, dem 7. August, von Freiburg abgereist und hatten noch am
selben Tag Triberg erreicht.41 Den ursprünglichen Plan, zu Fuß den Schwarzwald
zu durchqueren, hatte man angesichts des touristischen Umtriebs nämlich fallengelassen
und dafür eine längere Eisenbahnfahrt ins Auge gefaßt. Sie verlief keineswegs
paradiesisch: „Nach einer fünfstündigen Eisenbahnfahrt von Freiburg stiegen wir in
Triberg aus. [. . . ] Es war das Ende einer [. . . ] Fahrt, bei der wir zweimal umsteigen
und vier Stunden lang im Gang stehen mußten, während dicke und unglückliche
Deutsche und ihre dicken und gelockten Frauen sich immer wieder mit ich weiß nicht
welchen Absichten und ständig um Entschuldigung bittend an uns vorbeidrängel-
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