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Wie man sich im Elztal unbeliebt macht
Über ein Jahr nach dem Schwarzwald-Urlaub schrieb Hemingway einen langen Bericht
über den Forellenfang in Europa, in dem er seine Erfahrungen beim Angeln zusammenfassend
wiederzugeben versucht.58 Der Artikel erschien am 17. November
1923 im ,Toronto Star Weekly4.59 Mit beißender Ironie holt der Reporter, indem er
ein weiteres Mal auf die Probleme beim Angeln in deutschen Gefilden zu sprechen
kommt, nochmals zum Schlag gegen die Schwarzwälder aus und schildert die im August
des Vorjahres angewandte Verhandlungsmethode, mit der man schließlich Erfolg
hatte, Hemingway versichert, er habe nach dieser Methode den ganzen Schwarzwald
abgefischt. Man habe in kleinen Schenken oder Gasthöfen übernachtet, die teilweise
so von der Welt abgeschnitten gewesen seien, daß die dortigen Preise kaum mit der
inflationären Entwicklung Schritt gehalten hätten. Mit seiner Behauptung, er habe
den gesamten Schwarzwald abgefischt, hat Hemingway wie üblich übertrieben. Nur
zwei Orte werden namentlich genannt: Triberg und Oberprechtal. Ansonsten ist nur
von Bergkämmen, wogenden Höhen, tiefen Tannenwäldern, Tälern und Bächen die
Rede. Und Oberprechtal wird dem Berichterstatter vermutlich auch nur in Erinnerung
geblieben sein, weil er dort besonders unangenehme Erfahrungen gesammelt
hatte: 5,Die Bauern in Oberprechtal, wo wir uns richtiggehende Angelscheine besorgt
hatten, waren anders. Sie kamen und jagten uns mit Mistgabeln vom Bach weg, weil
wir Ausländer waren."60
Oberprechtal ist von Triberg aus zu Fuß leicht zu erreichen. Keine Station der
Schwarzwaldreise dürfte Hemingway (und im Zuge der Publikation der Depeschen
auch den Oberprechtalern!61) so zugesetzt haben wie das Dorf an der Elz. Die
knappen Zeilen in dem Angelbericht vom November 1923 lassen kaum erkennen, was
die Urlauber dort an Unannehmlichkeiten erlebt hatten. Genaueren Einblick in die
Oberprechtaler Vorgänge erhält man durch die letzte ,Schwarzwälder Depesche6 des
Journalisten. Sie erschien am 5. September 1922 im ,Toronto Daily Star' und gibt
Oberprechtal sogar als Berichtsort an.62
Der Anfangsteil des Artikels gibt den äußeren Rahmen des Aufenthalts deutlich zu
erkennen. Man war am frühen Morgen — das Tagesdatum bleibt unbestimmt — in
Triberg losgewandert und erreichte nach etwa sieben Kilometern einen steilen Waldhang
. Ganz in der Nähe lag eine Lichtung mit einer Sägemühle und einem Gasthaus
(gemeint ist offensichtlich der heute noch bestehende ,Forellenhof). Die Wanderer
waren hungrig, betraten die Wirtsstube und wandten sich mit der Bitte an die Wirtsleute
, ihnen zwei Doppelzimmer zu vernieten. Der Wirt lehnte brüsk ab, indem er
deutlich durchblicken ließ, seine Weigerung hinge damit zusammen, daß die Gäste
Ausländer seien. Die Unfreundlichkeit des Besitzers ging soweit, daß er den Wanderern
nicht einmal den Weg zum nächsten Gasthaus nannte oder auch nur die ungefähre
Entfernung andeutete. Ohne den Hunger gestillt zu haben, zog man unverrichte-
ter Dinge wieder ab und ging weiter in Richtung Oberprechtal. Nach sechs
Kilometern heißer, staubiger Straße kehrten die Touristen im Gasthaus ,Rössle' ein,
das zwischen der Hauptstraße und der Elz liegt, und stärkten sich mit einer ordentlichen
Mahlzeit. Sie wurde „[.. .] vom Wirt selber aufgetragen, der unerschütterlich
wie ein Ochse aussah und mitunter mit dem Suppenteller in der Hand stehenblieb
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