Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 194
(PDF, 29 MB)
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wahrscheinlich den sicheren Tod zur Folge. Welche Möglichkeiten standen ihnen
überhaupt zur Verfügung?

Am unauffälligsten war es, langsam zu arbeiten und Pausen zu machen, wenn sie
nicht beaufsichtigt waren. Oder sie arbeiteten mit Absicht ungenau und sorgten damit
für erhöhten Ausschuß und Verschleiß. Oder sie machten Fehler bei der Montage,
etwa bei Zündern für Bomben und Granaten.

Eine häufige Form der Dissidenz war die Flucht. Zivilarbeitern stand in der ersten
Zeit das Recht zu, nach Hause in Urlaub zu fahren. Viele kehrten nicht mehr an ihren
Arbeitsplatz zurück. Fast 70 Polen und Tschechen, die von ihren Firmen beim Ausbau
des Schluchseewerks beschäftigt wurden, benutzten 1940 die Osterurlaubsreise
zur Flucht. Auch viele ihrer Landsleute im Erzbergwerk Blumberg setzten sich über
die Schweizer Grenze bei Singen ab. Denen, die dabei aufgegriffen wurden, brachte
das eine Anzeige wegen Landesverrats ein. Trotzdem hielt die Fluchtbewegung über
das günstige Grenzgebiet bei SchafIhausen unvermindert an.

Im Westen war das Elsaß das Fluchtziel, vor allem für die Franzosen, die hier untertauchten
und sich in ihre Heimat oder zum Maquis durchschlugen, wobei sie sich
auf die Hilfe vieler Elsässer verlassen konnten.68 Für Angehörige anderer Nationen
bot dieser Weg allerdings keine große Chance. Oft sprachen sie nicht Französisch,
und ohnehin hätten sie erst noch mehrere andere Grenzen bis in ihre Heimat überwinden
müssen. Als Mitte 1943 immer öfter auch Holländer, Belgier und Franzosen die
Urlaubsreise benutzten, um sich endgültig abzusetzen, strichen die deutschen Behörden
im folgenden Jahr dieses Recht endgültig. Aber Tausende ließen weiterhin nichts
unversucht, um sich abzusetzen und nach Hause durchzuschlagen. Seit Ende 1943
waren es Monat für Monat 45 000 Zwangsarbeiter, die eine ungewisse Flucht ihrem
augenblicklichen Schicksal vorzogen,69

Zu ihnen gehörten Piet Hendriks und Franz Fesevur aus Den Haag, die nach mehreren
Zwischenfällen mit der Betriebsleitung von Stahlbau Müller in Offenburg und
mit der Polizei Anfang 1944 ihren Arbeitsplatz verließen und sich als Zeltarbeiter
einem Zirkus anschlössen, der von Offenburg über Ettenheim, Hausach und Haslach
nach Waldshut zog. Dort wollten sie die Schweizer Grenze hinter sich bringen. Aber
in einen Streit zwischen den Artisten und der Direktion griff die Polizei ein. Da Hendriks
und Fesevur keine gültigen Papiere hatten, kehrten sie nachts in das Lager nach
Offenburg zurück» Ein Freund, der als Kuppler bei der Bahn arbeitete, führte sie zu
einem Güterzug, der mit Braunkohle für die Schweiz beladen war. Sie versteckten
sich unter der Kohle. Schon in der Gegend von Freiburg hörten sie, daß ein Rad ihres
Wagens schleifte, und bevor der Zug die Grenze erreicht hatte, wurde der Wagen abgekuppelt
, weil das Rad sich endgültig festgefahren hatte.

Hundert Meter vor der Grenze wurden sie in Weil von deutschen Bahnarbeitern aus
den Kohlen gezogen. Trotz ihrer Bitten, sie laufenzulassen, übergaben die Arbeiter
sie der Polizei, und so landeten sie im Lörracher Gestapogefängnis, wo sie verhört
und mißhandelt wurden. Nach drei Wochen Untersuchungshaft wurden sie wegen Arbeitsvertragsbruch
zur üblichen Strafe von 56 Tagen Arbeitserziehungslager verurteilt
. Solche Lager hatte die SS seit 1940 zur Abschreckung der deutschen, später vorwiegend
der ausländischen Arbeiter überall in Deutschland eingerichtet, die für
Baden zuständigen befanden sich in Niederbühl bei Rastatt und in Karlsruhe.

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