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denkt, daß Krebs zwar den Urkundenselekten mehr Raum gewidmet hatte, die Sammlungen
F—N aber nur in insgesamt neun Zeilen als vorhanden erwähnt, die Sammlungen O—U gar
nicht beschrieben hatte, kann man die Leistung des ersten Bandes erst in angemessener Form
würdigen. Der Uberblick beschreibt gerade die zuletzt genannten und bisher zu Unrecht vernachlässigten
Bestände auf insgesamt etwa 80 Seiten, Damit wird der Forschung vielfach erstmals
die Möglichkeit gegeben, sich einen Eindruck von dem vorhandenen Archivgut zu verschaffen
und in Archivbeständen, die bis dahin oft nur als Geheimtip bekannt waren, nach
Materialien zu suchen und diese auszuwerten. Das traditionelle und längst schon überholte
Bild des mediävistischen Archivars erfahrt durch dieses Bändchen ebenfalls seine Korrektur:
nicht nur die von Krebs beschriebenen Urkundenselekte sind bedeutendes Archivgut, sondern
ihnen als Archivgut ebenbürtig werden die Nachlässe, Bildmaterialien und nichtschriftlichen
Informationsträger vorgestellt,
Teil 3 beschreibt die als Haus- und Staatsarchiv bezeichneten Bestände des Generallandesarchivs
, die eine überaus wechselhafte Vergangenheit hinter sich haben und den Kern der staatli-
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chen „altbadischen" Uberlieferung enthalten. Die Beständeübersicht beschreibt neben dem
sechsteiligen Haus- und Staatsarchiv die politischen Nachlässe, das Oberstkammerherrenamt,
das Oberhofmarschallamt, das Oberstallmeisteramt, den Oberhofverwaltungsrat, die General-
intendanz der Civilliste, die Generaldirektion des Hoftheaters sowie Landes- und Staatstheaters
, die Gartendirektion, die Generaladjudantur, das Geheime Kabinett, die Markgräfliche
Verwaltung sowie das Geheime Kabinett der Großherzogin Luise. Diese Bestände sind jedoch
nicht das Pendant zu den altwürttembergischen Beständen des Hauptstaatsarchivs Stuttgart,
denen die sogenannten „neuwürttembergischen" Bestände gegenüberstehen. Die Karlsruher
Bestände wurden überwiegend nach dem Pertinenzprinzip erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts
zusammengestellt. Diese Grundinformation zur Bestandsgeschichte macht deutlich, daß hier
eine Uberblicksbeschreibung wie sie nun mit dem Teil 3 vorliegt, unverzichtbar ist und an
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sie enorme Anforderungen gestellt sind. Im Vergleich zu Krebs ist die neue Ubersicht etwa
sechsmal umfangreicher, optisch erheblich übersichtlicher und in vielen Details präziser geworden
, ohne die alten Erschließungsmaßstäbe über Bord zu werfen.
Abschließend ist den ersten beiden Teilen der Beständeübersicht ein Lob auszusprechen.
Die Konzeption der einzelnen Bände ist knapp und gut. Doch kann in einigen Punkten das
ehrgeizige und löbliche Werk sicherlich noch verbessert werden. Da die Karlsruher Bestände
vielfach aufgrund ihres Pertinenzprinzips bei den Altbeständen gefürchtet sind, wäre hier beispielsweise
eine erhebliche Verbesserung der Situation durch die summarische Angabe der
Provenienzen in Kurzform zu erreichen. Ein Provenienzindex mit Verweisung auf die Bestandsbezeichnungen
in dem als 11. Teil konzipierten Gesamtindex würde das Gesamtwerk zusätzlich
aufwerten. Wenn auch die Provenienzen im einzelnen meist nur durch Spezialisten,
oftmals wohl überhaupt nicht mehr wieder herzustellen sind, wäre durch die Indizierung der
Provenienzen wenigstens ein bedeutender Schritt in diese Richtung auf dem Papier zu erreichen
. Eng damit zusammenhängend ist die in der Konzeption der zehn Bände nicht berücksichtigte
Archiv- und Bestandsgeschichte des Generallandesarchivs. Ihre Aufnahme in den
Generalindex und Zusatzband ist wünschenswert und sollte unter keinen Umständen zugunsten
einer landeseinheitlichen Beständeübersichts-Konzeption geopfert werden. Nur in diesem
Fall kann die alte Gesamtübersicht von Krebs tatsächlich abgelöst und ersetzt werden. Verzichtet
man auf diesen Teil, so ist zumindest der erste Band des Krebs für den Benutzer auch weiterhin
unverzichtbar. Dennoch ist wohl die Bezeichnung der neuen Beständeübersicht als
„neuer Krebs" eine Untertreibung. Es wäre zu hoffen, daß viele andere Archive diesem Beispiel
einer gelungenen Beständeübersicht folgen mögen und ein solches Projekt nicht nur als
lästige Arbeit, sondern als eine Aufgabe des Archives im Sinne des Benutzers ansehen würden
, Dieter Speck
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