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dert werden die Traditionsbücher verwaltungstechnisch abgelöst. An ihre Stelle
treten Kopialbücher, in denen in chronologischer Ordnung Urkunden verzeichnet
wurden, und Zinsrödel, die den Grundbesitz und z. T. daraus resultierende Rechtsansprüche
nach geographischen Kriterien aufschlüsseln, was die Besitzverhältnisse
durchsichtiger macht. Schon diese Zinsrödel aus hochmittelalterlicher Zeit müssen
als „herrschaftliche Güter- und Einkünfteverzeichnisse" gelten, die den „Stand der
besitzgeschichtlichen Uberlieferung noch vor den Urbaren" wiedergeben. Sie sind
sozusagen die genetische Vorstufe der Urbare.2
In mehreren Schritten, in denen die Güterverzeichnisse immer ausführlicher werden
, entwickeln sich spätestens Ende des 14, Jahrhunderts die eher unscheinbaren
Rödel zu den oft prächtig ausgestatteten Gesamturbaren in Buchform. Die größere
Ausführlichkeit der Güterverzeichnisse darf dabei nicht einfach als ein formal-technischer
Fortschritt gewertet werden; sie muß auch vor dem Hintergrund der sich auflösenden
Fronhofsverfassung gesehen werden — ein Vorgang, der einerseits die bäuerlichen
Besitzrechte veränderte, zum anderen aber auch zwangsläufig die herrschaftliche
Besitzverwaltung beeinflußte.3 Um trotz der fortschreitenden Zersplitterung
der Rechte in dieser gewandelten Situation den bisherigen Besitzstand abzusichern,
reichte bei der Vielzahl der neuen Pachtverhältnisse auf dem ehemaligen Salland eine
summarische Auflistung der einst in Eigenwirtschaft befindlichen Flächen nicht mehr
aus.
Auf Grundlage der Besitzgeschichte werden die mittelalterlichen Urbare drei Epochen
zugeteilt:
— einer karolingisehen Epoche, die noch von einer verhältnismäßig starken Zentral-
gewalt geprägt ist. Auf deren Veranlassung wurden die Urbare wegen der häufigen
Reichsteilungen für die Reichsabteien und die großen Klöster angelegt.
— dem Zeitraum vom 10. bis 12, Jahrhundert, als sich größere Gütervermögen in den
Händen kleinerer Gewalten ansammelten. Dies wurde durch den Verfeil der Zentralgewalt
teils ausgelöst, teils gefördert. Die Besitzverzeichnisse sollten die neu
erworbenen Rechtstitel absichern und waren so ein Mittel, die vermehrte Macht
besonders geistlicher Grundherrschaften abzusichern und ihre Unabhängigkeit
von der Reichsgewalt zu dokumentieren.
— einer dritten Epoche vom 13. bis 15. Jahrhundert. Hier kommt nun eine Besitzkonsolidierung
zum Ausdruck, die als Grundlage zur Errichtung einer Landesherrschaft
dienen konnte. In dieser letzten Epoche tritt das herrschaftliche Element
wieder stärker in den Vordergrund.4
Es fallt auf, daß sich der Kreis jener, die Urbare anlegten oder anlegen ließen, ähnlich
ausweitete und entwickelte wie der Kreis der Urkundenaussteller und Siegelinhaber
, nämlich von der Reichsgewalt über andere Träger öffentlicher Gewalt bis hin zu
Personen, deren Bedeutung einen lokalen oder regionalen Bereich nicht überschritt.
Zu den klassischen Urbaren rechnet man also dasjenige buchförmig angelegte
Schriftgut geistlicher und weltlicher Verwaltungen, in dem zu wirtschaftlichen
Zwecken die Liegenschaften, Gerechtsame, Abgaben und Dienste, die einer Grundherrschaft
zugehören, aufgelistet sind.5
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