http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0035
b) Urbar, Berain und Lagerbuch
Die Benennung dieses Verwaltungsschriftgutes variiert durchaus. Zu unterscheiden
sind raumübergreifende Bezeichnungen und solche, die nur regional begrenzt verwendet
wurden. Raumübergreifend treten drei Namensgruppen auf.6 In der ersten
Gruppe finden sich Benennungen, deren Hauptbestandteil Ländereien sind. Hierzu
zählen das Güter- oder Salbuch oder der Name Urbar. Letzterer stammt von mittelhochdeutsch
„urbor, -bur" und steht für ein ertragreiches Grundstück, den Ertrag
selbst oder das Verzeichnis der Einkünfte.7 Das heute noch bekannte Adjektiv „urbar
" leitet sich hiervon ab. Darüber hinaus existieren in einer zweiten Gruppe Namen
, die andere wirtschaftliche Gesichtspunkte hervorheben (Zinsbuch)8 oder auf
das (ursprüngliche) Erscheinungsbild hinweisen (= Gruppe 3): polyptichon für die
karolingische Zeit, -buch und rotulus (Rödel, Rodel für Rollenform). Allerdings
konnte die Bezeichnung Rödel auch für ein Urbar in Buchform übernommen
werden.9
Nur regional verbreitet ist hingegen die Bezeichnung Berain, ein Wort, das in der
badischen Mundart inzwischen verloren ging. Wortgeschichtlich muß dieser Name
mit „bereinen" oder „berainen" zusammenhängen, was „begrenzen" bedeutet. Nicht
korrekt ist hingegen die Deutung, die Berain von „bereinigen" ableitet. Diese Interpretation
bringt jedes als Berain betitelte Schriftstück sofort mit einer Erneuerung ur-
barieller Aufzeichnungen, sogenannten Renovationen, in Verbindung.10
c) Schriftgutkundliche Einordnung und Rechtserheblichkeit
Urbare und ihre Renovationen verloren ihre reale Gültigkeit wegen der großen Ausführlichkeit
, mit der sie abgefaßt waren, schnell. Ungefähr im Abstand von 30 Jahren
mußten sie überarbeitet werden. In der Regel wurden bei der Erneuerung der Aufzeichnungen
die Pflichtigen befragt. Den so aufgerichteten — „von oben auferlegten
und von unten gewachsenen"11 — Urbaren und Renovationen muß ein vor Gericht
anerkannter Beweis wert zugestanden werden. Diese rechtsverbindliche Qualität rückt
die Zinsbücher in die Nähe der ländlichen Rechtsquellen, der Weistümer.12
Der Weistumscharakter solcher Renovationen kommt besonders dann zum Ausdruck
, wenn die Güterbeschreibungen in Dingrödel aufgenommen wurden, oder umgekehrt
der Dingrödel Bestandteil eines Urbars war; eine Verknüpfung, die das Tennenbacher
Güterverzeichnis in exemplarischer Weise veranschaulicht. Es war wohl
auch üblich, daß solche integrierten Urbare gemeinsam mit dem Dingrödel an einem
der drei feststehenden Gerichtstermine im Jahr verkündet und damit gewissermaßen
neu gewiesen wurden.13
Besondere Rechtskraft wurde solchen Renovationen zuteil, die von öffentlich bestimmten
Renovatoren vorgenommen worden waren.14 Sie haben für diese Quellengattung
eine ähnliche Funktion wie die „notarii publici" in der Diplomatik. Auch die
Einleitungen firühneuzeitlicher Stücke erinnern in der formelhaften Beschreibung des
Renovationsvorganges an Notariatsinstrumente und Urkunden. Trotz dieser Ähnlichkeiten
, die durch die Beglaubigung späterer Urbare durch Siegel noch auffälliger
werden, darf man aber die Zinsbücher nicht den Urkunden zurechnen. Ihnen fehlen
die für ein Diplom typischen, formalen Bestandteile. Urbare lassen sich auch nicht
den Akten zuordnen; sie zählen schriftgutkundlich zu den Amtsbüchern.15
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