http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0037
Abschluß in der Urbarforschung bildet, deren Wege Pietsch 195930 und Ott 197031
aufzeigten.
In diesen Zusammenhang gehört auch der Versuch Richters, Urbare und andere
Amtsbücher neben Urkunden und Akten als eine dritte, selbständige Archivaliengruppe
zu etablieren und parallel dazu die „Urbar- oder Lagerbuchlehre" als eine
neue Hilfswissenschaft der Geschichte aufzurichten.32 Dies muß als ein Höhepunkt
der Beschäftigung mit Urbaren betrachtet werden. Zwar ist es immer noch die inzwischen
verselbständigte Wirtschaftsgeschichte, die hauptsächlich auf dieses Schriftgut
zurückgreift, aber die verschiedenen Veröffentlichungen machen auch deutlich, daß
sich das Interesse an den Urbaren gewandelt hat. Die statistische Aufschlüsselung des
enthaltenen Zahlenmaterials, die am Anfang stand, wurde von anderen Interessen
verdrängt. Sie wich den Bemühungen um eine sachgerechte Edition der Quellen und
die methodische Erschließung durch eine eigene Hilfswissenschaft ebenso wie dem
Versuch, sie für die unterschiedlichsten Teildisziplinen und Zweigwissenschaften der
Geschichte nutzbar zu machen.
Anschaulich wird diese Interessenverschiebung durch die Aufsätze, die entweder
die Breite der Aussagemöglichkeiten eines Urbars darstellen oder sich bestimmten
Problemen der Forschung über diese spezielle Quellengruppe nähern. Der Anfang ist
wieder bei v. Inama Sternegg zu machen, der den Wert der Urbare darin sah, daß
sie „den thatsächlichen Zustand einer großen Grundherrschaft in einem gegebenen
Zeitpunkt darlegen", und daß sie die Veränderungen derselben in Bezug auf Gutsbestand
, Bevölkerung, deren Leistungen und die ganze Wirtschaft überhaupt erkennen
lassen.33 Eine ähnliche Auflistung der „Grundkräfte der Wirthschaft" bietet Müller
in seinem Aufsatz von 1934.34 Er ging jedoch über v. Inama Sternegg hinaus, sprach
das Feld der Namen und Flurnamen an und betonte die Bedeutung der Urbare für
die „Kunde der Bildung der Familiennamen" und Geschlechternamen im Mittelalter
,35 worauf Kapff ausführlicher einging.36 Herding fügte den Bereichen der Wirt»
schafts-, Besitz- und Siedlungsgeschichte noch die Verwaltungs-, Verfassungs-,
Rechts- und Gerichtsgeschichte an und hob den topographischen und personengeschichtlichen
Wert der urbariellen Aufzeichnungen hervor.37 Die Beiträge der folgenden
Zeit beschränkten sich dann auf Einzelaspekte wie Sprachgeschichte,38
Weistums- und Wüstungsforschung,39 Flurverfassung40 und spezielle Themen der
Rechtsgeschichte.41
Aus diesen eher allgemein gehaltenen Arbeiten läßt sich ein Frageraster erstellen,
welches — an ein Urbar angelegt — Aussagen über seine Verwertbarkeit für die verschiedenen
Forschungsbereiche ermöglicht. In einen solchen Katalog gehören Fragen
nach Flur- und Ortsnamen, welche Aufschlüsse über die Ausdehnung der Grundherrschaft
und mundartliche Besonderheiten geben. Die Urbare werden so zu Quellen der
historischen Wort- und Lautgeographie,42 Auch Begriffe und ihr Bedeutungsgehalt
können an ihnen überprüft werden. Weitere Anhaltspunkte bieten die Höhe und Art
der angeführten Abgaben und Leistungen, die Einblick in das Wirtschaftsleben des
Klosters, seine Agrarverfassung und ökonomische Ausrichtung nach anderen, größeren
Wirtschaftsräumen gewähren. Verschiedene Nachträge im Urbar zeugen von der
wirtschaftlichen Entwicklung des Klosters für die Dauer, in der das Urbar in Nutzung
stand. Mit Hilfe von Schriftvergleichungen und Paläographie lassen sich an sol-
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