http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0094
Einige Beispiele mögen veranschaulichen, wie die Gundelfinger Bauern ihrem Begehren
um Weide oder herrschaftlichen Schutz und Schirm Nachdruck zu verleihen
suchten:88 ... weil wir zu unserem Viehtrieb gar keinen Weidgang [haben], sondern
unser Vieh mehrenteils hin und wieder auf den Brachäckern und Egarten halten
müssen, also daß uns oftmals in unserem Hausbrauch sehr großer Abbruch und Mangel
entsteht. Zusätzlich zum Weidemangel hatte ein großes Unwetter die Früchte und
das Futter auf der Weide so verdorben, daß ... unser Vieh aus Mangel an Weide,
die sonsten bei uns gering und wir mit dem Futter in den Ställen demselben zu Hilfe
kommen, ... diese Jahr mit großem Verlust verkauft werden [muß]. Die Bitte um Erlaubnis
, Holz zu schlagen und nach Freiburg verkaufen zu dürfen, wurde damit begründet
, im widrigen Fall... müßten wir in gänzliches Verderben geraten, weil sonst
das Wochengeld aufzubringen uns unmöglich ist, denn außerhalb des Landes wollen
uns die benachbarten nichts mehr helfen, auch nicht um einen Heller mehr trauen,
innerhalb des Landes kann keiner dem andern mehr zu Hilfe kommen, so dürfen wir
auch unsere liegenden Güter, denn das Vieh und die fahrende Habe ist fast alles dahin
, nicht außer Landes verkaufen.
Die beiden ersten Beispiele beziehen sich auf den Mooswald. Da Gundelfingen dort
keine Rechte mehr beanspruchte* waren die Ersuchen aus der Situation heraus begründet
; denn nur noch in Notfällen griff die Gemeinde auf die benachbarte Weide zurück.
Das letzte Zitat stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Aus ihm spricht
nicht nur der völlige Niedergang der ländlichen Siedlungen infolge der nun schon
14 Jahre dauernden Kriegseinwirkungen. Es fehlt auch nicht der Hinweis auf den für
den Landesherrn entstehenden Schaden, weil die wöchentlichen Kontributionen für
die einquartierten evangelischen Truppen nicht mehr geleistet werden können.
Auch wenn in der vorliegenden Untersuchung weitere, die häusliche Ökonomie belastende
Faktoren wie etwa steigende grund- und landesherrliche Abgaben, die
schleichende Münzverschlechterung oder die säkulare Lohn-/Preisentwicklung im
Hintergrund geblieben sind, lassen sich aus dem Einzellall mehrere Gesichtspunkte
ableiten: In der ökonomischen Argumentation trafen sich die Interessen von Obrigkeit
und Untertanen. Zugleich verlieh der Verweis auf den wirtschaftlichen Aspekt
einer Eingabe vor allem dort, wo nicht auf rechtliche Ansprüche rekurriert werden
konnte, einen legitimen Anstrich. Schließlich wurde deutlich, daß gerade bei schon
lange anhängigen Konflikten die augenblickliche wirtschaftliche Situation den Ausschlag
zum Handeln gab, ja daraus eine Art Recht zu eigenmächtigen Aktionen abgeleitet
wurde.89
Wer aber waren die Handelnden in den eigenmächtigen Aktionen? Wir müssen hier
zwischen juristischer und tatsächlicher Ausführung unterscheiden. Im rechtlichen
Sinne bilden in der Markgrafschaft Vogt, Gericht und Gemeinde die unterste Instanz.
Eine andere Siedlungsstruktur, wenige grundherrliche Rechte und das Fehlen eines
Ortsadels verliehen der Gemeinde hier eine weitaus größere Autonomie in der Regelung
ihrer inneren Angelegenheiten als dies im vorderösterreichischen Wildtal, wo
die Obrigkeit vor Ort residierte, der Fall war. In Gundelfingen existierte kein Sondereigentum
am Wald und gerade die Nutzung der entlegenen Allmende bedurfte der gemeinsamen
Organisation und Durchführung, so daß uns in den Quellen meist die geschlossene
Gemeinde als Akteur begegnet.
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