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man würde jetzt das Anleihen mit Gewalt betreiben, wovon sie nur ein Drittel und
zwar aus gutem Willen bewilligten. Die Badischen aber begnügen sich damit, den
Sold für ihre Truppen zu bekommen, daher ist alles bei uns ruhig.
Nun noch etwas von uns selbst. In Deinem Briefe war mir die Berechnung der Zeit
am liebsten, die uns noch trennt; sie war mir eine Bürgschaft dafür, daß meine Empfindungen
, wenn auch nicht ausgesprochen, doch warm erwiedert werden. Wie selten
finden sich solche Freunde! Schwer drückt mich Deine Abwesenheit; nur in den
Tagen, welche mit Arbeit überhäuft waren, wurde die Leere etwas vermindert. Vielleicht
denkst Du hier an Häusler!2 Aber wie verschieden sind die Grade der
Freundschaft, und wie viel wird erfordert zum eigentlichen Herzensfreunde. Mit ihm
ist keine trauliche offene Unterhaltung, nur Uebereinstimmung in Grundsätzen, nur
besseres Auskommen als mit Andern. Es ist wahr, er würde meinen Wünschen zuvorkommen
, ich achte sein weiches Herz, das für gute Eindrücke leicht empfänglich
ist. Wie kann aber da Zutrauen geweckt werden, wo jede, oft unbedeutende Kleinigkeit
ängstlich verschwiegen wird und nur dann das Herz sich öffnet9 wenn auch nicht
die entfernteste Gefahr für das liebe Ich zu besorgen ist. Dein Brief beweiset mir übrigens
, daß Du dieses Verhältnis gehörig würdigest: „freundschaftliche Unterhaltung".
Indessen will ich einmal offen mit H. sprechen, vielleicht schlummert etwas in ihm,
was ich zu wecken wünsche und was nur durch angewöhntes Mißtrauen niedergehalten
wird. Finde ich, was ich suche, dann wollen wir ein lustiges Kleeblatt bilden.
Beiliegendes Flugblättchen, das mir erst jetzt zu Händen kam, hat für Dich, als
Blumenfreund, vielleicht immer noch einiges Interesse:
„Napoleon und der Gärtner,
Napoleon verlangt von seinem Gärtner einen Blumenstrauß, worauf derselbe erwiedert
:
Erhabener Kaiser, großer Herr,
Ich habe keine Blumen mehr!
Denn die Granaten sind verloren,
Und Deine Lorbeern sind erfroren,
Die Immortellen sind geraubt,
Die Palmen hat der Feind entlaubt:
Die Kaiserkrone will verdorren,
Gebrochen sind die Rittersporen,
Die Königskerz und Löwenmaul
Sind längst schon an der Wurzel faul.
Den nebelblauen Eisenhut
Zerstörte jüngst des Nordes Wuth.
Die Münz hat Rußland aufgeschichtet
Und Wunderblumen giebts nicht mehr.
Nur Tollkraut wuchert noch umher,
Und Kreuzdorn treibt noch Trauerblüten;
Drum kann ich Dir nichts weiter bieten."3
Signatur: StadtAF, K 1/27/2, S. 8—9 Nr. 4. Abschrift. — Teilabdruck bei Strack
(wie Anm. 22) S. 447 Anm. 5.
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