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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0154
hören, wie er seine Curen verrichtet. Ich sprach mit Einigen, die von ihm curirt sein
wollen, und berichte Dir getreulich.

Seit Martin Michel, getrennt von Hohenlohe, seine Curen in dem von hier 16—18
Stunden entfernten Unterwittighausen zu betreiben anfieng, wurde der Zudrang von
Hilfsbedürftigen immer größer. Vorzüglich waren es Leute aus dem Bruchsalschen,
die hier hindurch eilten. Nicht selten, beinahe alle Nächte, waren seit vierzehn Tagen
drei — vier Wirthshäuser der hiesigen Stadt mit Kranken angefüllt, wovon viele so
schwach waren, daß sie nicht vom Wagen heruntergenommen werden konnten, sondern
auf solchem in den Höfen, Scheuern etc. übernachten mußten. Wie hier, so war
es im Verhältnisse in den nächsten Ortschaften.

Die Kranken leiden meistens an Nervenübeln, an Gesicht, Gehör, worunter Viele,
die sich schon jahrelang herumschleppen. Von hier aus folgten, nebst Andern, dem
Wunderrufe unser Amtsassessor Hagel, der ein Fell auf dem einen Auge hatte und
es nicht mehr öffnen konnte, und eine Madame Oveloque mit ihrem seit einigen Jahren
gliederlahmen siebenjährigen Sohne. Von diesen erfuhr ich Folgendes über die
Behandlung der Kranken. -

Wenn diese vorgelaßen werden — gewöhnlich geschieht dieses mit Mehrern zugleich
—, so untersucht ein Arzt, doch wie ich höre nicht immer, in Gegenwart katholischer
Geistlicher die Kranken. Michel hält sodann eine kleine Rede, worin er die
Allmacht und Güte Gottes preiset und zum festen Glauben an die Worte der Schrift
ermuntert: was ihr von mir begehret, sollt ihr erhalten. Hierauf fragt er, ob sie überzeugt
seien, daß er ihnen helfen könne? Auf die bejahende Antwort spricht er vor
jedem einzelnen Kranken ein stilles Gebet und fragt nach Beendigung desselben:
„Glauben Sie, daß Gott Ihnen geholfen hat?" Wird geantwortet: ja, er hat mir geholfen
, so sagt er: „machen Sie die Augen auf, gehen Sie u.s. w." und meistens ist die
Behandlung vorüber. Wich das Uebel nicht, oder lautet die Antwort: „ich glaube es
wird mir geholfen", so betet er nochmals und sagt zu dem Kranken: „sein Glaube
sei nicht fest genug, lassen Sie uns nochmals beten". Kein Kranker wird berührt oder
demselben etwas gegeben; doch läßt Michel z. B. Lahmgewesene öfter im Zimmer,
wohl auch Stiegen auf und abgehen, wenn es sie gleich Schmerzen und Ueberwin-
dung kostet. Oft ist die Cur erst nach solchen Uebungen vollständig. In Gegenwart
des Amtsrevisors Hagel wurde ein seit acht Jahren an dem einen Ohre ganz, an dem
andern beinahe ganz tauber Canzlist von Erbach nach zweimaligem Gebet geheilt.
Er ließ ihn immer weiter von sich weggehen und sprach immer leiser. Auf eine Entfernung
von 10—12 Schritten soll er zuletzt auf jede Frage geantwortet haben. Hagel,
der hier alle Arzte und Winkelschlupfer zu Rat gezogen und zuletzt an dem einen
Auge bis auf einen matten Schimmer die Sehkraft verloren hatte, will nach vollendetem
Gebete vollkommen gesehen und ohne Schmerz mit offenen Augen in der Sonne
herumgegangen sein, da er früher das Auge nicht öffnen, und selbst in der Stube, wie
ich mehrmals sah, den grünen Schirm nicht entbehren konnte. Der Knabe der Mad.
Oveloque soll ohne Krücken auf das zweite Gebet in Michels Stube herumgegangen
sein. Der allgemeinen Versicherung nach sind solche Beispiele häufig, und es soll ergreifend
sein, die Aeußerungen der plötzlich von jahrelangen Leiden geheilten Personen
zu hören. Michel lehnte jeden Dank mit den Worten ab: „nicht mir, sondern Gott
dem Allmächtigen dankt, der Euch geholfen hat"

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