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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0181
meindevorsteher, Mitglied der Landessynode und des Oberrats der Israeliten Badens.
Diese Körperschaft trug die Verantwortung für die interne Verwaltung aller jüdischen
Kultusgemeinden des Landes, vertrat sie nach außen* Für seine Verdienste erhielt er
zu seinem 50. Geburtstag 1934 eine Ehrenmedaille aus Bronze. Das Relief von Bruno
Elkan stellte Jakobs Ringen mit dem Engel dar und trug das Zitat: „Ich lasse Dich
nicht, Du habest mich denn gesegnet" (Genesis 32, 27),

*

Ein Jahr zuvor war Hitler an die Macht gekommen» Anfänglich änderte sich nicht
viel, obwohl es hier und da zu Ausschreitungen gegen Juden und andere „Feinde"
der neuen Machthaber kam. Dennoch waren die meisten Juden um ihre Zukunft besorgt
. Der Direktor der Rotteck-Oberrealschule, der Sozialdemokrat Albert Kuntze-
müller, wurde abgesetzt, und an seine Stelle trat der der neuen Ordnung freundlich
gesinnte Prof. Dr. Friedrich Ludin. Seinem Kollegen Maier gegenüber zeigte er sich
durchaus korrekt, selbst nachdem sich Löb einen kleinen Scherz erlaubt hatte, indem
er im Laboratorium, zwecks Vorbereitung eines Klassenvortrags, eine kontrollierte
Explosion verursachte. Dr. Ludiii hörte den Knall und nahm an, daß es sich um einen
Uberfall der Kommunisten auf seine Schule handelte, bis er von der durchaus harmlosen
Tatsache überzeugt werden konnte.

Weniger erfreulich entfalteten sich die Dinge in allgemeiner Hinsicht. Wo man sich
bisher unter den Kollegen recht gut verstanden hatte, trat man nun Maier gegenüber
mit formeller Höflichkeit entgegen. Nur einer von ihnen, der Zeichenlehrer Ernst
Rieß, ließ es sich nicht nehmen, seine Meinung über die wachsende Judenfeindlichkeit
zu äußern. Auch Irma war im „Kränzlein" nicht mehr so wie früher erwünscht,
und ebenso hielten andere christliche Freunde und Bekannte nun Distanz.

Im Jahre 1936 wurde Maier in den „vorläufigen" Ruhestand gesetzt. Nun konnte
er sich vollkommen den immer größer werdenden Bedürfhissen seiner Glaubensgenossen
widmen. Er richtete eine jüdische Volksschule ein, da jüdischen Kindern der
öffentliche Unterricht jetzt untersagt war. Als eine Anzahl polnischer Juden, die als
staatenlose Personen weder in Deutschland noch in Polen aufenthaltsberechtigt waren
, in Freiburg eintrafen, kümmerte er sich darum, daß sie betreut wurden, bis es
ihnen gelang, sich über die Grenze nach Frankreich oder in die Schweiz zu retten.
Durch ihn kamen kulturelle Veranstaltungen zustande, die es den Gemeindemitgliedern
ermöglichten, sich das Dasein, wenn auch nur für kurze Zeit, etwas erträglicher
zu machen.

Er selbst war überzeugt, daß es in Deutschland für Juden keine Zukunft mehr gab,
„Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht's nochmal so gut", brüllten die
SA-Leute, als sie durch die bisher so ruhigen Straßen der Wiehre marschierten. Löb
war sich darüber im klaren, daß die Männer im Braunhemd ernst zu nehmen waren.
Deshalb gab er allen Gemeindemitgliedern den dringenden Rat, so bald wie möglich
auszuwandern. Er selbst hingegen hatte vor, es zunächst noch auszuhalten. In erster
Linie wollteer seinem Sohn dazu verhelfen, seine Schulausbildung im Ausland fortzusetzen
und nach entsprechendem Studium Rabbiner zu werden. Erst dann wollten
er und Irma versuchen, ihm zu folgen. Der Junge — das war ich — reiste Anfang
1937 nach London ab. Löbs Hoffhungen wurden jedoch zunichte, als in der Nacht

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