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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0217
schätzten Künstler durch Veröffentlichungen und Ausstellungen einem breiteren Publikum zugänglich
zu machen. In dem vorliegenden Buch widmet sich Reiner sowohl Oesterles Leben
als auch seinem Werk. — In Kenzingen war Oesterle zum Dekorationsmaler ausgebildet worden
, fühlte sich jedoch zu mehr berufen. Unter großen Opfern — er mußte sein Brot auf dem
Bau verdienen — besuchte er die Malschule des damals schon berühmten Lovis Corinth. Das
Berlin der Zwanziger Jahre — wer denkt da nicht an das Aufblühen von Kunst und Kultur,
an Filme von Fritz Lang, an unvergessene Schriftsteller wie Walter Benjamin, an Künstler wie
Max Liebermann, Käthe Kollwitz und Heinrich Zille! In dieses „Milljöh" geriet der rauhbeinige
, aber empfindsame Maler und Graphiker Wilhelm Oesterle. Vielseitig waren die Einflüsse
, die auf seine Maltechnik einwirkten, daher enthalten seine Werke sowohl impressionistische
und fast lyrische Komponenten wie bei seinen Landschaftsbildern — eindrucksvoll die
„Eisbahn im Berliner Tiergarten" — wie auch Anklänge an den Expressionismus. Bedrückend
realistische Radierungen und Pinsel skizzen greifen seine bevorzugten Themen auf: Tod, Freiheitskampf
, Menschen auf der Flucht. Seine Bilder und Graphiken erwecken schließlich immer
mehr Aufmerksamkeit, sie sind in Ausstellungen neben denen von Dix, Kirchner, Münch
und anderen zu sehen. Längst war er als Lehrer an die bekannte Reimann-Schule berufen und
ihm eine Radierklasse übertragen worden (1919), Finanziell hatte er damit nicht ausgesorgt,
viel zu unsicher waren die Zeiten durch Revolution, Arbeitslosigkeit und Inflation.

„Warum ist der Mann nicht bekannt?" fragte ein hiesiger Künstler. Nicht zuletzt, weil in
der Zeit des Nationalsozialismus seine Werke „einer überwundenen Stilrichtung" angehörten.
Ein Anfang ist dankenswerterweise durch Helmut Reiners Biographie gemacht, die durch Lebensdaten
Oesterles und eine Liste der bisherigen Ausstellungen ergänzt wird. Es bleibt zu
hoffen, daß uns eines Tages noch ein umfassenderer Einblick in Oesterles Werk — zusammen
mit einem Werkverzeichnis — zur Verfügung stehen wird. Die Themen seiner sozialkritischen
Bilder sind heute aktueller denn je, ob es sich um die bereits 1912 entstandene Radierung
„Kriegsfurie", um „Flucht" oder um „Totenklage" handelt. Nur um seinen eigenen Tod sollte
man kein Aufhebens machen. Ursula Huggle

Wilhelm Engler, Freiburg, Baden und das Reich. Lebenserinnerungen eines südwestdeutschen
Sozialdemokraten, 1873—1938. Bearbeitet von Reinhold Zumtobel, hg. und eingeleitet
von Wolfgang Hug. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1991. 227 S.

Als Gewerkschafter, SPD-Arbeitersekretär und Kommunalpolitiker im Kaiserreich, Sozialpolitiker
in der Weimarer Republik gehört Wilhelm Engler neben Wilhelm Kolb, Adam Rem-
rnele, Ludwig Marum u.a. zu den bedeutenden Gestalten der badischen Sozialdemokratie.
Seine Lebenserinnerungen, nach 1933 im erzwungenen Ruhestand verfaßt, von seinem Parteifreund
Reinhold Zumtobel zur Veröffentlichung überarbeitet, liegen nun in einer — sieht man
vom Fehlen eines Registers ab — ansprechenden, von Wölfgang Hug besorgten Ausgabe vor,
nachdem sie auf allerlei Irrwegen ins Generallandesarchiv Karlsruhe gelangt waren. Die Ausgabe
beschränkt sich auf die politische Tätigkeit Englers; seine privaten und beruflichen Wege
bleiben ausgespart. Wer an der Sozialgeschichte der Arbeiter im Kaiserreich interessiert ist,
wird dies bedauern, zumal die „Kostprobe" (S. Uff) durchaus Appetit auf mehr macht: Das
Elend im elterlichen Heimweberbetrieb in Weisweil, eine Jugend, von der nur Prügel und
Hunger zu berichten sind, frühzeitige Heimarbeit für die Freiburger Knopffabrik, die für 144
aufgenähte Knöpfe 1 Pfennig zahlt . . .

Durch einen Zufall kam Engler 1899 nach einer Zimmermannslehre nach Freiburg, wo er
sich selbständig machte, später ein alkoholfreies Lokal betrieb und politisch aktiv wurde —
ein Lebenslauf, der in vielem an Friedrich Ebert erinnert, dem seine ganze persönliche und
politische Sympathie gehört. So ist auch Englers Urteil über die Novemberrevolution, die er
lebendig und in vielen Einzelheiten beschreibt, das eines nüchternen Mehrheitssozialdemo-

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