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Geschichtsbewußtsein leisten. Nicht zuletzt die Jugend solle erkennen, „daß Heimat mehr ist
als Wohnort, daß dieses von seiner Geschichte geprägte und geformte Gemeinwesen ein Stück
ihrer selbst ist, für das es sich sehr wohl lohnt, bürgerschaftliches Engagement zu zeigen. . . .
Der Blick in die Vergangenheit mag uns zuversichtlich stimmen, auch den Anforderungen unserer
Tage standzuhalten" (S. 8—9). Der Band gehört in die Hand möglichst vieler Menschen,
denen Geschichte und Kultur unserer Region mehr ist als nostalgische Verklärung, sondern
Teil der eigenen Lebenswelt. Heiko Haumann
Michael Schmaedecke, Der Breisacher Münsterberg. Hrsg. v. Landesdenkmalamt Baden-
Württemberg (Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters Bd. 11) Verlag Konrad
Theiss, Stuttgart 1992. 289 S., 142 Abb., 61 Tafeln.
Michael Schmaedecke hatte Anfang der 80er Jahre die faszinierende Aufgabe, archäologische
Untersuchungen auf dem Breisacher Münsterberg zu leiten. Mit der wissenschaftlichen Auswertung
promovierte er 1989 an der Universität Freiburg. Er stellte in dieser Dissertation die
bau- und siedlungsgeschichtliche Entwicklung Breisachs vom römischen Kastell zur mittelalterlichen
Stadt dar. Wegen der großen Bedeutung, die das Thema für die südwestdeutsche
Landesgeschichte hat, nahm das Landesdenkmalamt die Arbeit in die Reihe „Forschungen
und Berichte der Archäologie des Mittelalters" auf. Ein eindrucksvolles Buch ist daraus entstanden
, das Informationen in Wort und Bild zugänglich macht: in wissenschaftlicher, nicht
populärer Darstellungsweise.
Zu den interessantesten Ergebnissen gehört die Tatsache, daß in der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts, also rund hundert Jahre nach der Stadtgründung von 1185, eine grundlegende
Veränderung der Straßenstruktur stattgefunden hat, der bald eine ansehnliche geschlossene
Bebauung folgte. Bis zu diesem Zeitpunkt stand noch die Mauer des römischen Kastells, das
die Südhälfte des Berges einnahm; auch die via principalis, die in Nord-Süd-Richtung über
den Berg und durch das Kastell zog, existierte damals noch. Im Zuge der Erneuerungsmaßnahmen
wurden römische Ruinen und spätere, jetzt störende Bauten abgebrochen und das Material
unter anderem zur Herstellung eines Straßenplanums verwertet. Mittelpunkt der Neuanlage
wurde der Radbrunnenturm, der exakt auf der römischen Hauptstraße steht, aber nicht
etwa als Tor des ehemaligen Kastells interpretiert werden kann, da er nördlich außerhalb desselben
steht. Er ist vielmehr als mittelalterliches Bauwerk anzusprechen, dem ein dominierender
Platz im Zentrum der mittelalterlichen Stadt eingeräumt wurde. Der Name beschreibt die
Funktion: Hier befand sich ein Brunnen mit einem etwa 40 Meter tiefen Schacht, der bis in
die Grundwasser führenden Schichten hinabreicht.
Weiter konnte archäologisch belegt werden, daß die mittelalterlichen Stadtmauern streckenweise
auf den spätantiken aufbauen, beziehungsweise deren Reste integrieren. Gleiches trifft
auch für das romanische Münster zu, das im 12. Jahrhundert in der Nachbarschaft aufrecht
stehender römischer Steinbauten errichtet wurde. Daß der Möns Brisiacus auch in der Zeit
zwischen dem antiken Kastell und der mittelalterlichen Stadt besiedelt war, in primitiverem
Zuschnitt freilich, beweisen Grubenhäuser, die zu einer frühstädtischen Bebauung aus der
Zeit um das Jahr 1000 gehören.
Für die Publikation des Landesdenkmalamts beschrieb Michael Schmaedecke auch die spätmittelalterlichen
und neuzeitlichen Befunde. Er beschloß dieses Kapitel wie auch das erste mit
einem Fundkatalog, der den Fachleuten Vergleichsmaterial an die Hand gibt. — Einen originellen
Beitrag leistete schließlich der Kunsthistoriker Peter Hering, der die Erkenntnisse von
Archäologie und Geschichte mit Bildquellen vergleicht. Er deutet den Radbrunnen, der immer
noch Rätsel aufgibt, als Symbol der Brügerstadt, hochgebaut aus Repräsentationslust durch
die Bürger, deren Gemeinwesen seit 1273 den Status einer Reichsstadt hatte. Diese Interpretation
deckt sich mit derjenigen Berent Schwineköpers, der den Radbrunnenturm als zentralen
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