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Wahlen zum Landtag und wichtige Reformgesetze
Gemäß der Bundesakte von 1815 hatten alle Mitgliedsstaaten des neugeschaffenen
Deutschen Bundes „landständische Verfassungen" zu erlassen. Baden erfüllte diese
Forderung am 22. 8.1818, indem Großherzog Karl wenige Monate vor seinem frühen
Tod eine Verfassungsurkunde unterzeichnete.73 Deren Inhalt ging weit über die Wiederbelebung
ständischer Institutionen hinaus, wie man sie wohl bei Abfassung der
Bundesakte vor Augen gehabt hatte. Vielmehr wurde in Baden der Schritt zu einer
modernen Repräsentatiwerfassung vollzogen. Die Institution enthielt in 83 Artikeln
Bestimmungen über das Großherzogtum, über die politischen Rechte der Badener
und über die Ständeversammlung.74 Die erste Kammer repräsentierte Adel, Geistlichkeit
und Universitäten, während die zweite Kammer aus 63 von den Staatsbürgern
gewählten Abgeordneten bestehen sollte.
Das Land wurde in 41 Wahlbezirke eingeteilt. Die größeren Städte wählten eigene
Abgeordnete. Für die Wahl der Wahlmänner wurden die Wahlbezirke in Wahldistrikte
unterteilt. Einen solchen Distrikt bildete auch Günterstal, denn es hatte mehr als die
dafür erforderlichen 250 Einwohner. Bei der Wahl der Wahlmänner waren alle im
Wahldistrikt angesessenen Bürger und öffentlichen Amtsträger stimmfähig und wählbar
. Ausgeschlossen von der Vertretung im Landtag blieb ein beachtlicher nicht
bezifferbarer — Teil der erwachsenen Bevölkerung, nämlich „bloße Hintersassen,
Gewerbsgehülfen, Bediente."
Günterstal gehörte zum Wahlkreis 12, welcher die Gemeinden des Amtes Breisach
und die zum Stadtamt Freiburg gehörenden Landorte Günterstal, Zähringen, Ebnet
und Littenweiler umfaßte.75 Auf den Wahlkreis 12 entfielen 1818 17 062 Personen
und ein Steuerkapital von 14 796 380 fl. Die Wahlordnung begünstigte die Städte.
Während der ländliche Wahlkreis 12 nur einen Abgeordneten in die zweite Kammer
entsenden durfte, konnte die Stadt Freiburg mit ihren 9 802 Einwohnern und einem
Steuerkapital von nur 6 545 520 fl zwei Deputierte nach Karlsruhe schicken. Von der
Wahl des Wahlmanns im Wahldistrikt Günterstal, der dann gemeinsam mit den Wahlmännern
der anderen Distrikte den Abgeordneten des Wahlkreises 12 zu wählen
hatte, haben sich keine Akten erhalten. Als Anlage zur Gemeinderechnung 1818/19
liegt aber eine Quittung des Michael Murst vom 9. 3. 1819 über 3 fl 40 kr vor, aus
der ersichtlich ist, daß er am 11. Februar beim Stadtamt in Freiburg „wegen Unterredung
der Wahlkommission" und am 15./16. Februar in Breisach zur Wahl des Abgeordneten
war. Murst war offenkundig der in Günterstal gewählte Wahl mann. Zum
Abgeordneten wurde in Breisach 1819 der Freiherr Ignaz von Gleichenstein aus Ober-
rotweil am Kaiserstuhl gewählt. Er vertrat den Wahlkreis bis 1823 im 1. und 2. Landtag
.76 Bei der Wahl von 1825 zum 3. Landtag war der Müller Ignaz Mäder „gewählter
Wahlmann für die Gemeinde Günterstal". Für seine Teilnahme an der Abgeordnetenwahl
in Breisach am 17. L 1825 erhielt er 3 fl. Das Verfahren bei der Bestellung
der Wahlmänner ist anhand der Wahlakten nachvollziehbar, die sich im Günterstaler
Nachbarort Littenweiler erhalten haben.77 Unter dem Vorsitz einer Wahlkommission
trug sich jeder wahlberechtigte Bürger in eine vorbereitete Liste ein und benannte
gleichzeitig schriftlich einen Wahlmann. Wer die meisten Nennungen auf sich vereinte
, wurde als Wahlmann des Distrikts der zuständigen Behörde gemeldet.
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