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der Zuspruch von Seiten der Studenten während Schreibers Studium: Der von 1793
bis zu seinem Tod 1817 für dieses Fach zuständige Dozent Johann Weißegger brachte
ebenfalls nur gelegentlich eine Vorlesung zuwege.21 Dies alles zeigt, welch geringer
Stellenwert den Hilfswissenschaften, die allerdings auch in erster Linie für das Studium
der Jurisprudenz eingerichtet worden waren,22 an der Freiburger Universität
weit über Schreibers Studienzeit hinaus beigemessen wurde. Auch Schreiber scheint
übrigens Weißegger nicht gehört zu haben; er erwähnt ihn in seiner Selbstbiographie
nicht.
Schulung in wissenschaftlichem Arbeiten, genauer Wahrnehmung und kritischem
Denken erhielt Schreiber damals nicht in den philologischen Fächern, sondern eher
schon durch den Besuch naturwissenschaftlicher Vorlesungen; er hörte Physik, Chemie
, Mineralogie, Anatomie und Physiologie. Mit befreundeten Studenten, die sich
zu naturkundlichen Exkursionen in die Umgebung Freiburgs zusammenfanden, gründete
er 1812 einen „Verein für Naturstudien", der Gelegenheit zu Vorträgen und Diskussionen
bot. In der Natur und ihrem Studium, so urteilte Schreiber später selbst,
fand er zur Methode der genauen Beobachtung und kritischen Bestimmung des Vorgefundenen
; die Naturwissenschaften „hatten seinen Blick aufgeklärt und in ihm .. .
jenen Forschungstrieb geweckt, welcher wenigstens im Gebiet der vaterländischen
Alterthumskunde nicht ohne alle Früchte geblieben ist".23
Die erste Vermittlung der „Realien" auf diesem Gebiet, die Hinführung Schreibers
zu den Urkunden des städtischen Archivs, ist das Verdienst des schon mehrfach genannten
Archivars und Stadtrats Ferdinand Weiß.24 Der studierte Weltpriester, der
als „Hofmeister" der Kinder, später als Gast im Hause des Präsidenten der Breis-
gauer Ritterschaft Franz Anton v. Baden lebte,25 war zwar eine nur lokal bedeutende
, aber doch sehr zeittypische Figur. Durch seine gesellschaftliche Stellung fühlte
er sich zum Verfechter ständischer Rechte legitimiert, trat entschieden für den Verbleib
Freiburgs und des Breisgaus bei Habsburg ein und wurde im Verlauf der politischen
Auseinandersetzungen für fast zwei Jahrzehnte zum unentbehrlichen „argumentativen
" Kopf der starken Freiburger Habsburg-Fraktion. Weiß hat mehrere
Abhandlungen historischen Inhalts verfaßt, unter anderem eine „Relation über die
Verfassung, Rechte und Freiheiten des Landes Breisgau bis 1798" und eine „Diplo-
matische Ubersicht der Entstehung, Verfassung und Rechte der Stadt Freyburg im
Breisgau bis 1801".26 Wie die Titel beider Werke bereits anzeigen, trieb Weiß nicht
historische Wißbegier zu ihrer Abfassung; seine Intention war politisch-staatsrechtlicher
Natur: Die Texte und die angeschlossenen umfangreichen Auszüge aus Urkunden
und Protokollen des drittständischen wie des städtischen Archivs entstanden im
Auftrag des Freiburger Stadtrats. Sie sollten diesem bei dem bevorstehenden und
schließlich vollzogenen Wechseides Landesherrn Argumente an die Hand geben, wie
die angestammten Rechte der Landstände und der Stadt Freiburg gewahrt werden
konnten.27
Während für Weiß das Archiv noch im herkömmlichen Sinn eine „Brustwehr wider
alle Ansprüche widrig gesinnter Nachbarn"28 war, eine Schatzkammer zur Aufbewahrung
jener Dokumente, die die Rechte der Stadt gegen Angriffe und Neuerungen
sicherten, ließ die Auflösung des Alten Reiches und die Neuordnung der politischen
Landkarte, die Freiburg über die Zuweisung zum Herzogtum Modena zum Hause
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