http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1995/0175
er auch Informationen über die neuen Entwicklungen in der Geschichtsforschung bezog
. So war es schließlich nur folgerichtig, daß Schreiber zur Frankfurter Gesellschaft
persönliche Kontakte knüpfen konnte. Der Karlsruher Archivdirektor Franz Josef
Mone49 und Karl Georg Dümge waren von der Gesellschaft beauftragt worden,
im Herbst 1819 auf einer „literarischen Reise durch einen Theil des vordem Schwabens
und der Schweiz" die Handschriftenbestände der wichtigsten Bibliotheken dieses
Raumes zu begutachten und für die Editionsvorhaben der Gesellschaft aufzunehmen
. Die beiden Bibliotheksreisenden, die in Konstanz Ittner, in Eppishausen
Laßberg, in St. Gallen den Stiftsarchivar Ildefons v. Arx gesprochen hatten, wurden,
als sie auf der Rückreise in Freiburg Station machten, dort einen Tag lang, und offenbar
sehr engagiert, von Heinrich Schreiber betreut. Es heißt darüber in ihrem Bericht
: „Durch Güte und in Begleitung der Herren Professoren Duttlinger von der Universität
und Schreiber vom Gymnasium, wurden wir in die Bibliothek eingeführt, wo
selbst wir auch Hrn. Prof, Rueff antrafen. Das Local ist eines der schönsten und
selbst prächtig zu nennen; die gedruckten Werke, unter denen auch sehr viele kostbare
Incunabeln sich befinden, sind zahlreich, und, so wie die Verzeichnisse, in der
besten Ordnung. Die Handschriften konnten wir nicht einsehen, weil die Herren Professoren
Huch [!] und von Rotteck, unter deren besondern Aufsicht dieselben sind,
und welche beide wir auch, wie wohl vergeblich aufgesuchet, [da beide] in den benachbarten
Weingärten auf der Weinlese waren. Dagegen erhielten wir die erfreuliche
Zusicherung, daß uns von dem darunter vorhandenen Zweckdienlichen Nachricht gegeben
, und das Yerlangtwerdende sodann auch mitgetheilt werden sollte , . . Die
noch übrige Zeit vor Anbruch des Abends, verwandten wir ausschließend zur Betrachtung
des unvergleichlichen Münsters .. . Hr. Professor Schreiber, der uns auch
hierher seine Begleitung gönnte, arbeitet seit längerer Zeit an einer historisch-architektonischen
Beschreibung dieses eines der herrlichsten Denkmale altdeutscher Baukunst
, welche mit sorgfaltig gezeichneten und gestochenen Abbildungen versehen für
alle Kenner und Verehrer desselben ein sehr willkommenes Geschenk werden
muß"50 Es versteht sich von selbst, daß sich Schreiber während dieses Besuchs
über die Absichten der Gesellschaft, soweit sie ihm noch nicht völlig klar waren, genauestens
hat informieren können.
Die Bedeutung der Frankfurter Gesellschaft wußte Schreiber also recht einzuschätzen
, und so zollte er in seinem Schreiben an Laßberg ihrer Zielsetzung, die Monu-
menta Germaniae historica, die schriftlichen Zeugnisse der mittelalterlichen Reichsgeschichte
, zu sammeln und zu edieren, hohe Anerkennung — um gleichzeitig ihre
Bedeutung zu relativieren, und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen kritisiert er
ihre ausschließliche Ausrichtung auf die Reichsgeschichte. „Die deutsche Geschichte
vorzugsweise aus allgemeinen Quellen entwickeln zu wollen", so schreibt er, „scheint
mir . . . vergebliche Mühe; Deutschland hat kein Rom oder Paris, in dem sich seine
Nation vereinigte, sein Kaiser war wohl ein Verbindungsglied, aber ein sehr schwaches
... Daher ist, was wohl so oft übersehen wird, für Deutschland die Geschichte
jeder Stadt, fast jedes edlen Hauses von Wichtigkeit, und man wird die allgemeine
Geschichte erst recht verstehen lernen, wenn man sich in der speziellsten auf das
eifrigste umgesehen hat" Deshalb auch mißt Schreiber „gehörig geleiteten Provin-
zialvereinen" höhere Bedeutung zu als dem Frankfurter „Zentralverein44.51
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