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fast konkurrenzlos am Beginn kritischer Quelleneditionen. Wohl war zwei Jahre früher
schon der erste Band der „Monumenta" herausgekommen, doch eröffnete Schreibers
Werk die Reihe der städtischen Urkundenbücher, leistete also einen entscheidenden
Anstoß zur Etablierung der neueren Stadtgeschichtsforschung. Bestätigt wird dies
durch keinen Geringeren als Johann Friedrich Böhmer, dem Schreiber ein Exemplar
seines Urkundenbuches übersandt hatte. Dieser war 1824 zum ständigen Sekretär der
„Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtkunde" berufen worden und gehörte zugleich
der Zentraldirektion der „Monumenta" an, war aber darüber hinaus noch im
Archiv seiner Heimatstadt Frankfurt am Main tätig. Böhmer, der bereits an seinem
„Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt" arbeitete, das dann 1836 erschien,76 antwortete
Schreiber:77 „Es hat mich recht gefreut, daß die Art, wie ich für die Frankfurter
Geschichte arbeite, Ihren Beifall erhalten hat. Der erste Band Ihres Urkundenbuches
war zwar schon in meinem Besitze, indessen ist es mir sehr angenehm, dieses
Werk nun auch als ein Zeichen des persönlichen Wohlwollens seines Herausgebers
ansehen zu dürfen ... Je größer die Masse des geschichtlichen Materials wird, je
nötiger ist es, planmäßig zu arbeiten, und da ist sicher immer der Anfang mit den
Urkunden zu machen. Sie haben das erste Muster eines städtischen Urkundenbuches
geliefert. Aber noch ist man nicht überall so weit . . "
Böhmer hat seine anerkennende Beurteilung von Schreibers Leistung im Vorwort
zu seinem Frankfurter Urkundenbuch wiederholt. Dessen wegweisende Tat — und
natürlich auch die Böhmers — erscheint dort in besonders hellem Licht auf dem Hintergrund
jener großen und historisch wichtigen Städte — von Aachen und Augsburg
über Magdeburg und Mainz bis hin zu Wien, Worms und Zürich —, die 1836 noch
kein Urkundenbuch aufweisen konnten.78 Freilich hat Böhmer seine eigene Arbeit,
unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit des veröffentlichten Urkundenmaterials,
höher eingeschätzt als Schreibers Werk.79 Doch kommt in diesen konkurrierenden
Vergleichen doch schlagend zum Ausdruck, daß es eben Schreiber war, der mit dem
richtigen Gespür für das Neue und mit zäher Zielstrebigkeit als erster ein den Anforderungen
der kritischen Geschichtswissenschaft genügendes Urkundenbuch vorgelegt
hatte — und nicht Johann Friedrich Böhmer, wie es später Friedrich Lau, der
1901 Böhmers Urkundenbuch neu bearbeitet hat, behaupten sollte.80
Heinrich Schreiber hatte sich inzwischen in der historischen Fachwelt eine angesehene
Stellung erworben, die ihren angemessenen Ausdruck in der Verleihung von
Ehrenmitgliedschaften durch zahlreiche Geschichts» und Altertumsvereine fand.81
So schrieb auch Friedrich Böhmer an ihn: „Sie fragen mich, ob Sie der Gesellschaft
für ältere deutsche Geschichtskunde ein Exemplar Ihres Urkundenbuches schicken
sollen? Da die Gesellschaft keine eigentliche Bibliothek besitzet, so halte ich dies
nicht für nötig. Auch sind Ihre Verdienste um urkundliche Geschichtsforschung der
Zentraldirektion bereits seit längerer Zeit bekannt, weil Ihr Name unter den demnächst
aufzunehmenden Mitgliedern verzeichnet ist."82 Ob Schreiber tatsächlich die
Mitgliedschaft erhielt, war nicht zu ermitteln.83 Daß Böhmers Bemerkung aber
nicht nur eine Geste der Höflichkeit war, ist seiner Bitte zu entnehmen, ihm gemeinsam
mit Leichtlen, der übrigens 1830 auf etwas skurrile Weise Mitglied der Frankfurter
Gesellschaft wurde,84 bei der Ermittlung und abschriftlichen Erfassung der in
badischen Archiven liegenden Königs- und Kaiserurkunden behilflich zu sein; Böh-
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