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Johann Friedrich Böhmer an Heinrich Schreiber;
Frankfurt/M., 16. 12. 1829
Hochgeehrtester Herr Professor!
Es hat mich reqht gefreut, daß die Art, wie ich für die Frankfurter Geschichte arbeite
, Ihren Beifall erhalten hat. Der erste Band Ihres Urkundenbuches war zwar
schon in meinem Besitze, indessen ist es mir sehr angenehm, diese Werk nun auch
als Zeichen des persönlichen Wohlwollens seines Herausgebers ansehen zu dürfen.
Genehmigen Sie meinen besten Dank! — An Ihrem Urkundenbuch bewundre ich
außer den schönen Nachbildungen von Schriftdenkmälern insbesondere auch die
meist sehr schönen Siegelabbildungen. Auch ich habe mir kunstgerechte Zeichnungen
von Siegeln machen lassen und wünsche nur, daß sie auch schon so schön wie
die Ihrigen vervielfältigt wären.
Je größer die Masse des geschichtlichen Materials wird, je nötiger ist es, planmäßig
zu arbeiten, und da ist sicher immer der Anfang mit den Urkunden zu machen.
Sie haben das erste Muster eines städtischen Urkundenbuches geliefert. Aber noch
ist man nicht überall so weit. Ich vermisse diese Planmäßigkeit z.B. bei Donandts
Geschichte des bremischen Stadtrechts1, die ich gerade jetzt lese. Der Verfasser
war nicht darauf bedacht, vor allem die Quellen zu vervollständigen und zu berichtigen
. Vielmehr hält er sich an das, was an Urkunden zufällig gedruckt ist und sup-
pliert dessen Lücken — auch im 12. und 13. Jahrhundert — aus deutschen Chroniken
des 15. und 16. Jahrhunderts. Es ist unangenehm, so etwas zu lesen, wovon man weiß,
daß es nach 14tägiger Arbeit im Bremer Stadtarchiv wesentlich verbessert werden
könnte. — Übrigens gehört Donandt doch zu den Schriftstellern, die mit Liebe arbeiten
und welche Achtung vor Ihrem Gegenstand haben und solchergestalt einen größeren
Kontrast gegen manche andere bilden, welche auf eine lächerliche und schwerlich
zu rechtfertigende Art die Parteiwut des Tages in Jahrhunderte zurück tragen, wo
Grab und Moder längst die Leidenschaften gekühlt und gerichtet haben. Sie fragen
mich, ob Sie der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde ein Exemplar
Ihres Urkundenbuches schicken sollen? Da die Gesellschaft keine eigentliche Bibliothek
besitzet, so halte ich dies nicht für nötig. Auch sind Ihre Verdienste um urkundliche
Geschichtsforschung der Zentraldirektion bereits seit längerer Zeit bekannt,
weil Ihr Name unter den demnächst aufzunehmenden Mitgliedern verzeichnet ist.
Der 2te Band der Monumenta wird wohl eben jetzt fertig sein. Er ist circa 200 Seiten
stärker als der erste. Seine Vollendung hat bisher die ganze Tätigkeit unsers Herrn
Dr. Pertz2 in Anspruch genommen, aber nun kann er wieder aufatmen, und können
die andern Abteilungen ebenfalls bedacht werden. Vorzüglich wichtig sind dabei die
Kaiser- und Königsurkunden. Ich habe über die gedruckten im Zeitraum zwischen
911—1313 ein Verzeichnis mit Auszug des Inhalts gemacht. Vor drei Wochen umfaßte
es 3500 Stück. Jetzt ist es zahlreicher. Ich hoffe, daß es auf Ostern gedruckt erscheinen
kann;3 dann wäre an die Herausgabe des ersten Bandes der Diplomaten zu gehen
. Unter den Ländern, aus welchen weniger gedruckt sind, als vorhanden sein
dürften, ist auch das Großherzogtum Baden. Vielleicht sind Sie und der verdiente
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