http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0088
sten ist ein studentisches Schreiben vom Jahreswechsel 1845/46, in dem 82 Studenten
bekundeten, daß „... Sie von jeher das einstimmige Lob von Freiburgs Studenten
und von Freiburgs Bürgerschaft genoßen, in ihren wohlmeinenden, fürs Leben so bildenden
akademischen Vorträgen, in denen Sie nicht bloß die Lehre der Wissenschaft
dem Geiste vorzuführen, sondern auch als väterlicher Freund zum Herzen ihrer Zuhörer
zu sprechen verstehen." Gerade der persönliche Kontakt zu den Studenten, der
über die reine Wissensvermittlung hinausgeht, war ein Anliegen des Pädagogen
Schreiber. Die Kritik an seinen Universitätskollegen klingt mehr als modern, wenn
er klagt, daß sie ihre Aufgabe allein in der Wissensvermittlung sehen, die nur auf
Buchstabenwerk beruhe, keinerlei Zeitbezug habe oder gar völlig realitätsfremd
sei,51 Er wollte die Studenten zu selbständigem Denken und zu Urteilsvermögen erziehen
und lag damit sicherlich im Trend des aufkommenden Wunsches nach Liberalität
, aber im Widerspruch zu staatlicher und kirchlicher Restauration. Genau dieser
Ansatz begeisterte die Studenten, ohne daß Schreiber besondere politische Qualitäten
oder gar Aktivitäten zu unterstellen wären. Die Reaktionen der Studenten bestätigten
die Richtigkeit seines Verhaltens als Universitätslehrer und munterten ihn auf, seinen
bisherigen Kurs weiterzubetreiben: „... nicht mehr darf es dem Akademiker benommen
bleiben, über seinen Studirtisch hinauszublicken; nicht mehr darf es ihm
verboten sein, an seines Volkes Glück und Wohl Antheil zu nehmen."52
Ordinarius für Moraltheologie
Schreibers Karriere als ordentlicher Professor begann 1826, als durch den Tod des
Moraltheologen Peter Nick (11. Februar 1826) dessen Lehrstuhl frei wurde. Schreiber
selbst beschrieb 1849 diesen Zeitabschnitt autobiographisch in „Denkblätter aus dem
Tagebuche eines Hochschullehrers". Glaubt man dieser Darstellung, dann war er gar
nicht darauf erpicht, eine Professur zu erhalten, während gerade die Universität
größte Anstrengungen unternommen habe, ihn zu verpflichten. „Dagegen fielen die
Wünsche der Universität auf einen Lehrer, welcher entfernt davon, sich um die Kanzel
der Moraltheologie zu bewerben, vielmehr in seinen damaligen Verhältnissen keinen
Grund zu einem so bedenklichen Tausche zu finden glaubte, nämlich auf Schreiber
." 53 Sein Spott gilt insbesondere dem Bayern Salat, der nach Schreibers Angaben
beinahe die Stelle erhalten sollte. Da ihm ein Teil der Fakultät geneigt gewesen sei,
habe man einen Spottvers eines damals populäreren Mönches an der Universität angeschlagen
:
„Sollt Baiern nicht nachbarlich sein?
Es liefert, was es hat.
Schon lange liefert es uns seine Schwein',
Und nun auch noch Salat"54
Der Berufungsvorgang kann wenigstens teilweise anhand der Fakultätsprotokolle
nachvollzogen und Schreiber damit etwas korrigiert werden. Als möglicher Kandidat
für die Professur wurde an erster Stelle Johann Baptist Hirscher genannt, der jedoch
seine Einladung absagte. Weiter waren der erst kurz zuvor zum Priester geweihte
Balthasar Wörner aus Württemberg, an dritter Stelle Heinrich Schreiber, ferner Bernhard
Bolzana aus Prag, Johann Adam Moehler und zuletzt der Landshuter Jakob Salat
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