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im Gespräch. Während Wörner als zu jung eingestuft wurde, sagten alle anderen
Kandidaten mit Ausnahme des Bayern Salat ab, so daß sich die Fakultät mit ihm wohl
etwas länger auseinandersetzte. Doch wurde er schließlich nach einstimmigem Beschluß
der Fakultät wegen seines Alters von 59 Jahren abgelehnt, da die Fakultät
ohnehin schon gewisse Überalterungsprobleme hatte. Übrig blieb nur Schreiber, der
bekannt war, der das richtige Alter hatte und dem man Begabung und Gelehrtheit bescheinigte
. Als schließlich Dekan Hug eine Entscheidung verlangte, hatte man sich
infolge der mißlichen Bewerberlage und Hugs Fürsprache schnell auf Schreiber geeinigt
. Nach Schreibers Angaben war eine schnelle Entscheidung notwendig, da der
Ordinarius für Moraltheologie auch an der Besetzung ehemals vorderösterreichischer
Pfarreien beteiligt war. Daß Hug in dem zweimonatigen Berufungsverfahren für
Schreiber Partei ergriff und Schreiber schon zu diesem Zeitpunkt wie später bei der
Promotion protegierte, läßt sich erahnen. Im September schließlich kam die ministerielle
Ernennung Schreibers zum Ordinarius für Moraltheologie.55
Schreibers Wertung, daß es zu ihm keine Alternative gegeben habe, ist wenigstens
zu relativieren, will man ihn nicht der maßlosen Selbstüberschätzung bezichtigen.
Schreiber war nicht unbedingt der Wunschkandidat, wenn er auch schon früh in das
Bewerberfeld eintrat. Letztlich erhielt Schreiber die moraltheologische Lehrkanzel
aufgrund mangelnder Konkurrenz. Nach der Zustimmung des Ministeriums zur Berufung
Schreibers fand die Antrittsvorlesung und Vereidigung am 16. November 1826
vor dem Konsistorium statt in Anwesenheit von Prorektor Buchegger, den Dekanen
Hug? Duttlinger und Schulze, sowie den Professoren von Rotteck, Welcker, Amann,
M enzinger, Schmiderer, Ecker, Beck, Baumgärtner, Buzengeiger, Schneller, Zell,
Seeber und Perleb. Seine nur wenig später im Druck erschienene Antrittsvorlesung
„Das Prinzip der Moral in philosophischer, theologischer, christlicher und kirchlicher
Bedeutung" stand unter dem Motto „die Wahrheit wird euch frei machen"
(Johannes VIII, 32) — ein Motto, das auch das alte Freiburger Universitätshauptgebäude
aus dem Jahre 1911, heute das Kollegiengebäude I, trägt.56
Interessant ist die Haltung Schreibers in einem Streit bei der Dekanswahl, die bereits
vor seinem Amtsantritt stattgefunden hatte, aber die Fakultät und Universität
noch mehrere Monate beschäftigte. Die theologische Fakultät, die 1826 aus dem Senior
Schinzinger, Hug, Werk, Buchegger und Schreiber bestand, entzweite sich an
der Frage, wer 1827/28 rechtmäßiger Dekan sei. Zwar war bereits 1826 Buchegger
gewählt worden, dann aber zum Prorektor nachgerückt, worauf die Fakultät die Wahl
neu ansetzte und Franz Xaver Werk zum Dekan wählte. Jedes Fakultätsmitglied
wurde nach der Anzahl der Dienstjahre zum Dekan bestellt und dem Turnus entsprechend
wäre Buchegger an der Reihe gewesen, der von sich erklärte, daß er keinen
Anspruch erhebe, aber wenn man ihn wähle, wolle er sich dieser Pflicht auch nicht
entziehen. Die Parteien spalteten sich zum einen in Buchegger und Schreiber, zum
anderen in Werk und Schinzinger. Der Reihe nach wurde jedes Fakultätsmitglied,
auch Schreiber, um Stellungnahme gebeten♦ Schreiber sah nach Schinzingers Darstellung
das größere Recht bei Buchegger, da dieser zuerst gewählt worden sei, wollte
aber sein Votum „der höheren Entscheidung", d. h. dem Konsistorium und Ministerium
, unterstellen. Vor Werk wollte Schreiber aber alles andere als klar Stellung beziehen
: „Herr Prof. Schreiber versuchte zuerst eine ausweichende Antwort, fand
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