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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 121
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Fremderes in den Bau einfüge, als das im Laufe der Zeiten in ihm Gewordene. Jenes
hatte langsam umbildend aus der Zeit herausgeschaffen, er griff mit plumper Hand
in eine vergangene Zeit hinein".14

3. Probleme der Entwicklung der kirchlichen Kunst

Gurlitts Kritik trifft insbesondere auch die kirchliche Malerei, die durch die Denkschemata
des Historismus und die kirchlichen Vorschriften nach seiner Ansicht der
Entwicklungsmöglichkeiten beraubt worden sei. Die Forderung, daß die Bilder in
den Kirchen zur „Belehrung und Erbauung dienen" sollten und daß die kirchlichen
Bildwerke „nur Würdiges und Erhabenes darstellen" dürften, hingegen „alles Unanständige
oder die Sinne reizende, oder nur weltlichen Zwecken Dienende" sorgfältig
vermieden werden müsse, führe dazu, daß man mit einem solchen Verbot „individueller
Auffassung und eigenem künstlerischen Denken" „die Subjektivität aus der
Kunst herausgetrieben" habe.15

Seine Darstellung offenbart den Aufbruch von Welten zwischen der Kunstkritik
und der nahezu offiziös vorgebrachten Lehrmeinung über die Formen der Realisierung
kirchlicher Kunst, die anschaulich in dem Buch „Die Kunst im Dienste der Kirche
" von G. Jakob, das mehrere Auflagen erlebte, zum Ausdruck kommt. — Jakob
empfindet seinerseits ebenso deutlich das Auseinanderdriften von Kirche und Welt,
sieht aber den Fehler bei der Kunst, die darauf hinarbeitet, „sich von jedem Einflüsse
der Kirche, und des Uebernatürlichen, und des Himmlischen vollständig frei zu ma-
chen".16 Die moderne Ästhetik ist für ihn kein Maßstab, der für die Bewertung
kirchlicher Kunst maßgebend sei. Vielmehr seien diese zwei Fragen für die Anerkennung
kirchlichen Kunstschaffens entscheidend: „Welches sind die Anschauungen der
Kirche?" und „Welches sind die Vorschriften der Kirche?". Hingegen wäre „nicht der
Geist des Einzelnen," nicht der Geschmack des Volkes, nicht der Effekt des Werkes
maßgebend, noch würde die Phrase der „Befreiung des Individiums von den hemmenden
Fesseln" in der Kirche gehört.17

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4. Die Ubergangssituation um die Jahrhundertwende

Das Ende des Jahrhunderts zeigt uns dessen künstlerisches Schaffen in einem eigenartigen
Zwielicht. Die Kontinuität der Stilwiederholung ist zwar noch nicht gebrochen
, aber sie ist in hohem Ausmaß fragwürdig geworden. Gurlitt weist darauf hin,
daß mit dem Rokoko „ein Ende im Nachahmen" 18 erreicht worden sei. Neue Stile
zum Wiederholen wären, abgesehen von Japan und China, nicht mehr vorhanden.

Die Architektur versucht sich langsam aus dem Formenkanon von der „Antike" bis
zum Neorokoko zu lösen. Entschiedener tat dies die Maierei, die völlig neue Wege
geht. Hatte man im abgelaufenen Jahrhundert weitgehend den Eindruck der außergewöhnlichen
Höhe der erreichten künstlerischen Möglichkeiten, sowohl hinsichtlich
der Profan- wie der Sakralkunst, trat nun an die Stelle dieser Wertung die Verurteilung
der Hinterlassenschaft des 19. Jahrhunderts. Und dieses Verdikt prägte den Umgang
mit der Kunst unseres Vorjahrhunderts bis in unsere jüngere Vergangenheit. Es
führte — im Zusammenhang mit anderen Ursachen — im Bereich der kirchlichen Ar-

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