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Legislaturperiode bis 15. Oktober 192L So lauge ist Karls parlamentarische Mitarbeit
zumal in Parlamentsausschüssen aus den Landtagsprotokollen nachweisbar.
1920 verzichtete Karl auf seine Pfarrei Tauberbischofsheim, ließ sich die Pfarrei
Bötzingen am Kaiserstuhl übertragen, ging 1927 in den Ruhestand und zog nach Emmendingen
. 1938 ist er gestorben.
VI. Zusammenfassung — Gewichtung
Es ist die ausgehende Kulturkampfzeit Ende des 19. Jahrhunderts, die den Hintergrund
der hier geschilderten Vorgänge abgibt. Und es ist die Faszination historischer
Arbeit am Detail, die beim Zirkeleinstich an einem politischen Aufbruch einen geschichtlichen
Umkreis farbig anmutender Ereignisse ins Visier bekommen hat. Die
Wellen, die Pfarrer Karls Engagement für eine angemessene politische Vertretung des
evangelischen Volksteils im Großherzogtum Baden geschlagen haben, sind lange
nicht verebbt. Gewiß ist Karl im Endergebnis nicht an die Ziele seiner Ambitionen
gelangt, aber die Tatsache, daß sein Unternehmen nach über acht Jahrzehnten bis
heute noch immer in der historischen Literatur auftaucht,95 spricht für sich und läßt
Karl eben nicht als einen „politischen Außenseiter" erscheinen, wie er gelegentlich
eher beiläufig eingeordnet worden ist.96
Was Karl mit Vehemenz vertrat, hatte einer seit geraumer Zeit schwelenden Abkehr
evangelischer Kreise und auch von Teilen der badischen Pfarrerschaft vom politischen
Liberalismus Ausdruck gegeben. Es ist oben beschrieben worden, wie sich
schon 1879 „brodelnder Groll" über von der nationalliberalen Presse zu verantwortenden
Anschuldigungen gegen die katholische und evangelische Pfarrerschaft
(„Hetzkapläne, fromme Protestler") angestaut und entladen hat.97 Uber die zunehmend
„antikirchliche Grundrichtung der Nationalliberalen Partei"98 wußte sich Karl
mit vielen Zeitgenossen bis in sein evangelisch-kirchliches Umfeld hinein einig; übrigens
auch mit seiner Kirchenleitung.
Die Einschätzung von Karls Auftritt auf der politischen Landesbühne dürfte auch
in der badischen Kirchenleitung ambivalent gewesen sein. Einerseits hatte Oberkir-
chenratspräsident D.Helbing anläßlich der ersten aus Freiburg kommenden Rücktrittsforderungen
vom Amt des Diakonissenhausvorstehers im Mai 1909 wohlinformiert
und wohlwollend seine Hand über Karl gehalten, Dies in einer abgewogenen
und zutreffenden Beurteilung der Lage.99 Andererseits hatte Helbing die badischen
Pfarrer um der Gemeinden willen zumal in Wahlkampfzeiten zu größter politischer
Zurückhaltung ermahnt, wobei die im Wahlkampf gegeneinander gerichteten Kandidaturen
badischer Pfarrer sicher nicht in seinem Sinne waren. Disziplinarmaßnahmen
hat die Kirchenleitung aber nicht eingeleitet. Helbing hatte aber auch seinerseits
auf der Generalsynode im Juni 1909 — immerhin im Landtagswahljahr — angesichts
der Finanznot der Badischen Landeskirche davon gesprochen, daß Beibehaltung bzw,
Erhöhung der Staatsdotation an die Kirchen sehr erwünscht gewesen wäre. Zum Ausbleiben
der erwünschten Entwicklungen zögerte er nicht, zu erklären, verantwortlich
dafür sei „insonderheit diejenige Partei, die als zweitstärkste im Landtag vertreten"
ist, — „die Nationalliberale Partei". Das war deutlich. Ein Pressekommentator hierzu
fügt an: „Dies wird eine besondere Genugtuung dem Manne sein, der in den letzten
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