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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 218
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0220
Die Verurteilungen erfolgten ausnahmslos auf Grundlage von NS-Strafrechtsnor-
men des Kriegssonderstrafrechts. Die Kennzeichnung der Verurteilten als „Volksschädlinge
", „Gewaltverbrecher" oder „gefahrliche Gewohnheitsverbrecher" entsprachen
nicht nur der nationalsozialistischen Rechtsauffassung vom „Tätertyp",
sondern gingen einher mit den juristischen Termini der jeweiligen Verordnung oder
des Gesetzes. Der Volksschädlingsverordnung kam dabei die größte Bedeutung zu.
Dreizehnmal (45 Prozent) wurde auf diese zurückgegriffen. Zehnmal (34 Prozent)
wurde nach der Gewaltverbrecherverordnung abgeurteilt. Zweimal bildete die
Kriegswirtschaftsverordnung und einmal die Kriegssonderstrafrechtsverordnung die

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Urteilsgrundlage, Ebenfalls zweimal gelangte das Gericht über das Gesetz zur Änderung
des Reichsstrafgesetzbuchs („gefährliche Gewohnheitsverbrecher . . . verfallen
der Todesstrafe, wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter
Strafe es erfordern") vom 4. 9.1941 zur Urteilsfindung, davon einmal in Verbindung
mit dem Heimtückegesetz. Das letzte Urteil erfolgte aufgrund der Sammlungsverordnung
vom 10, 1. 1945 in der Ausweichstelle Radolfzell.

In den Urteilsgründen tritt in kaum verhüllter Form nationalsozialistische Weltanschauung
zutage. Der Sprachduktus mit Begriffen wie „wertlose Persönlichkeit" und
„ausmerzen" gemahnt in erschreckender Weise an die „Euthanasie"~Morde an „lebensunwertem
Leben" oder an die „Endlösung der Judenfrage". Es liegen aber auch
abweichende Tendenzen vor. Angesichts der hohen Zahl ausländischer Verurteilter
hätte mit mehr offen rassistischen Bekundungen gerechnet werden können. Allerdings
äußert sich rassistisches Gedankengut in zwei Fällen um so unverblümter: Da
wird ein Angeklagter zum „verschlagenen Fremdvölkischen", ein anderer zum „Ostländer
mit primitiver Denkweise". Ansonsten herrscht jedoch eher Zurückhaltung
vor. Selbst im Urteil gegen den „jüdischen Mischling" finden sich keine verbalen
antisemitischen Ausfalle.

Noch ein anderer Sachverhalt fallt beim Freiburger Sondergericht ins Auge: das
Festhalten an einer „ordentlichen" Durchführung der Verfahren unter Wahrung der
Strafprozeßordnung, sofern von einer solchen angesichts des rigiden Reglements der
Sondergerichtsbarkeit überhaupt noch gesprochen werden kann. Grundsätzlich
wurde jedem Angeklagten zumindest ein Offizialverteidiger bestellt. Selbst noch im
Februar 1945 wurden vor der Verhandlung gegen die polnischen „Plünderer" amtsärztliche
Gutachten über deren ZurechnungsßLhigkeit eingeholt. Offenbar war die
Einhaltung der Normen für die Richter unverzichtbar, auch wenn das Todesurteil
vielleicht schon beschlossene Sache war. Die Wahrung der Normen durch die Freiburger
Justizbehörden schlägt sich auch in der Verfügung des Oberstaatsanwalts bezüglich
der Hinrichtung des polnischen „Volksschädlings" und „Gewohnheitsverbrechers
" W. (So KLs 27/44) nieder: „Es wird wohl erforderlich sein, zur Vollstreckung
einen Dolmetscher zuzuziehen. W. versteht wohl etwas deutsch. Es ist aber fraglich,
ob er den bei der Vollstreckung erforderlichen Eröffnungen folgen kann.

Jedoch sind einige Auffälligkeiten zu beobachten. In einem Fall liegt zumindest der
Verdacht nahe, daß eine im Jahre 1919 ausgesprochene und bereits verbüßte 15jährige
Zuchthausstrafe wegen Totschlags nachträglich über die Kriegssonderstrafrechtsver-
Ordnung in eine Todesstrafe „korrigiert" worden ist, indem Äußerungen des Beschuldigten
vom Gericht als besonders schwere Form der Wehrkraftzersetzung gewertet

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