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Die restaurativ eingestellte Regierung dachte freilich in politischen Kategorien, Freiburger
Professoren - allen voran Rotteck und Welcker - hatten sich gegen das neue
Pressegesetz ausgesprochen. Beide wurden auf Druck des Bundestages im Herbst
1832 „in den Ruhestand versetzt".137 Die Universität selbst mußte - im Gegensatz
zur Heidelberger138 - wegen politischer Unruhen für drei Wochen offiziell geschlossen
werden, nachdem es im Juli 1832 zu einer Ausschreitung von Studenten vor der
Hauptwache am Münsterplatz gekommen war. Darum mußten auch die Wogen, wie
sie von Schreiber ausgingen, geglättet werden.
Doch Schreiber war nicht zum Einlenken bereit, Er war inzwischen in den Sog
seiner eigenen Ausführungen geraten. Er verband damit seine akademische Ehre.139
Nun konnte er nicht mehr zurück, ohne sein Gesicht zu verlieren. Hinzu kam eine
weitere Maßregelung, das an der Universität Gelehrte in den Griff zu bekommen.
Sämtliche bei den Vorlesungen benutzten Lehrbücher mußten seit Mai 1835140 der
erzbischöflichen Behörde mitgeteilt werden. Trotz staatlicher Anregung, „ob er nicht
geneigt sei, zur Beseitigung von Mißhelligkeiten aus freien Stücken sein Lehrbuch
bei den Vorlesungen über Moraltheologie nicht zu gebrauchen",141 blieb Schreiber
unbeweglich, Inzwischen war von kirchlicher Seite ein weit größerer Vorwurf laut
geworden, und hier wird, wie eingangs schon angedeutet, typisch ultramontan argu-
mentiert, Schreiber habe mit seinen Äußerungen z. T. heimlich, z. T. offen sogar
kirchliche Glaubenssätze angegriffen. Damit meinte man sogar seinen Rationalistischen
Ansatz" kritisieren zu müssen.142
Schreiber begründete seine kompromißlose Entschlossenheit, sein Lehrbuch weiterhin
den Vorlesungen zu Grunde zu legen, in den Denkblättern folgendermaßen:
„Würde ich nämlich mein Lehrbuch zum Scheine nicht gebrauchen, in der That aber
die darin enthaltenen Grundsätze vortragen, so wäre dieß feige Heuchelei; würde ich
dagegen mit Beseitigung meines Lehrbuches, - bloß aus Furcht oder Interesse, -
auch die darin enthaltenen Grundsätze ablegen, die der unumwundene Ausdruck
meiner lange geprüften Ueberzeugung sind, so wäre dieß schamlose Schlechtigkeit
/'143 Ein endgültiger Schlußstrich wurde schließlich durch die Entscheidung des
großherzoglichen Staatsministeriums vom 21. April 1836 gezogen. Im Erlaß des
Universitätscuratoriums vom 21. Juni 1836 wurde ihm eröffnet, daß „S. K. H. der
Großherzog ihm die erledigte Lehrstelle der historischen Hilfswissenschaften an die
Universität Freiburg, mit Belassung seines dermaligen Charakters und seiner Besoldung
, zu übertragen geruht habe".144 Damals habe Weihbischof von Vicari einem
Geistlichen erklärt; „Endlich haben wir keinen Opponenten mehr an der theologischen
Facultät; Stengel hat der Tod, und Schreiber die Regierung selbst hinweg genommen
/4 145
Interessant ist noch folgende Begebenheit. Am 23. Juni 1836 hatte der Senat der
Universität die Theologische Fakultät gebeten, sie möge doch mithelfen, daß der
großherzogliche Beschluß, Schreiber in die philosophische Fakultät zu versetzen,
bald endgültig stattfinden könne. „Allein die theologische Facultät hütete sich, in
dieser Sache einen Schritt zu thun. Sie bestand damals noch, nebst Schreiber und
Werk, aus dem Domcapitular Hug und dem Professor der Dogmatik Buchegger, der
kurz darauf ebenfalls Domcapitular wurde"146 und seinen Lehrstuhl aufgab» Der Professor
für Kirchengeschichte, der ehemalige Repetitor am Theologenkonvikt, Mat-
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