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ohne Hoffnung auf Befreiung. Mittwoch den 24ten morgens: Soeben kommt von Ra~
statt die Nachricht, daß der junge Frey von Otlingen, welcher wegen Mazzinischer
Lose dort saß, an der Ruhr gestorben sei.133
[Ende S. 4 /Der Brief wurde hier erneut unterbrochen und 4 Tage später mit
neuem Datum und Wiederholung der Anrede wieder aufgenommen]
Tumringen, den 24ten September abends. Lieber Oncle! Endlich finde ich wieder
Zeit, Euch über die Krankheit Eures Sohnes Fritz Nachricht niederzuschreiben. Wie
ich Euch auf der ersten Seite schrieb, habe ich auch die Nacht vom 20ten auf den
21 ten und den ganzen 21 ten September bei ihm zugebracht. Er sah sehr schwach aus,
konnte aber dennoch gut schlafen. Die Hitzen ließen etwas nach und man durfte ihm
nun etwa alle 3 Stund wieder Eis in eine Blase füllen und es ihm auf den Kopf legen.
Ich glaube, am 15ten oder löten dieses Monats war Dr. Baurittel auch unberufen bei
ihm. Nachher, als er fortgehen wollte, sagte er zum Ernst, Herr Schweikhardt behandle
den lieben Fritz nicht gut. Fritz habe im löten Jahre an Hämorrhoiden gelitten
und deshalb sollte man ihm Blutegel an den After setzen. Vielleicht wisse das
Herr Schweikhardt gar nicht. Übrigens kenne er die Natur von Fritz viel besser als
Herr Schweikhardt und deshalb hätte man ihm die Behandlung übergeben sollen. Als
nun Herr Dr. Baurittel fort war, fragte Euer lieber Ernst den Fritz, ob Herr Schweikhardt
von seinem früheren Hämorrhoidenleiden wisse. Fritz sagte, er habe ihm alles
anvertraut. Weil aber der liebe Ernst doch sicher sein wollte, so ging er trotz dem
fürchterlichen Regenwetter sogleich zu Herrn Schweikhardt und erfuhr von ihm, daß
Fritz es ihm anvertraut habe, daß er aber jetzt nicht für geraten halten könnte, dem
Patienten Blutegel an den After zu setzen. Nun überließen wir es dem Fritz ganz, ob
er den Dr. Baurittel berufen wollte. Fritz verweigerte dieses auf das entschiedenste
und sagte, er habe alles Zutrauen zu Herr(w) Dr. Schweikhardt. Wenn er ihm nicht
helfen könne, so könne es keiner. Auch wolle er gar keinen andern Arzt noch zum
Herrn Schweikhardt nehmen, weil er sehe, daß dieser sich alle Mühe um ihn gebe
und zu jeder Zeit der Nacht ihm vor dem Bett stehe, sogar ohne daß er es verlange.
Jedenfalls aber solle man den Dr. Baurittel nicht mehr zu ihm lassen, denn er, Fritz,
hasse ihn, weil er ihn und den Ernst immer am Narrenseil herumführe wegen seiner
Abreis. Auch am 22ten ging es so ziemlich gut mit unserem Patienten bis abends. Da
kamen auf einmal die Bangigkeiten und Hitzen wieder und die Krankheit artete noch
in ein Nervenfieber aus. Deswegen lassen mich auch meine Eltern nicht mehr zu
ihm. Es ist aber jetzt fast immer jemand, entweder der Vater oder die Mutter, in Steinen
und helfen ihm abwarten. Auch haben mir schon seit 14 Tagen eine Frau von
Weitenau134 als Ab Wärterin zu ihm getan. Diese Frau kann er sehr gut leiden. Sie behandelt
ihn sehr gut. Die Frau Adolph von Schopf heim ist auch wieder da und bleibt
in jedem Fall wieder. Nachts helfen auch andere Steinener wie Heckendorn etc. wachen
. Den 23ten und 24ten, also gestern und heute, geht es leider unserem lieben
Fritz viel schlimmer. Die Hitzen nehmen immer zu. Soeben (den 24ten nachts)
kommt die liebe Mutter zurück und sagt, die jetzige fieberische Aufregung nehme
133 Wilhelm Frey aus Otlingen war 1851 als Beteiligter an der verbotenen „Lotterie der europäischen
Demokratie" (vgl. Anm. 85) in „Kriegsgefangenschaft" genommen worden. Vgl. Scholz (wie Anm.
85) S. 355.
134 Heute Ortsteil der Gemeinde Steinen (Landkreis Lörrach).
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