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Sven Lembke - Kaiser Maximilian I.
Die Auszeichnung, Reichsoberhaupt zu sein,
bedeutete für Maximilian vorrangig, daß er als Repräsentant
seines Hauses über alle anderen
Herrschaftsträger gestellt war. Der Königstitel des
Römischen Reiches deutscher Nation, mit dem die
Anwartschaft auf das Kaisertum verbunden war,
stellte ihn zugleich über alle anderen Könige. Diese
Uberordnung blieb symbolisch. So schworen die
Kurfürsten bei seiner Krönung als Repräsentanten
des Reiches zwar, ihm zu gehorchen,32 aber faktisch
mußte um ihren Gehorsam immer erst geworben
werden. Zuverlässige Zwangsmöglichkeiten besaß
der König nicht. Grundlage für das Königtum, wie
Maximilian es ausüben konnte, blieb die eigene
Hausmacht, weil sie die entscheidenden Uberzeugungsmittel
, Geschenke oder Gewalt, bereitstellte
. Die Interesseneinheit von Dynastie und
Reich war unauflöslich. Maximilian erklärte sogar
seine Hochzeitsabkommen, die dem Haus Habsburg
die Krone von Böhmen und Ungarn sichern
sollten, zu einem Prestigegewinn des Reiches.33
Die Forderungen, die Maximilian später an das
Reich stellte, waren zumeist Bitten um militärischen
Beistand. Er bat entweder direkt um eine militärische
Allianz oder um das Geld, das nötig war, um
Söldner anwerben zu können. Gegenüber solchen
Forderungen waren die mächtigen Fürsten des Reiches
mißtrauisch, weil dadurch ihre Autonomie
relativiert wurde. Insbesondere leisteten sie gegen
die Forderungen des Kaisers Widerstand, sobald sie
den Eindruck gewannen, daß die Ressourcen ihrer
eigenen Häuser nur die Macht der habsburgischen
Dynastie fördern sollten. Deswegen hielten sich die
Reichsglieder sehr mit Unterstützung für den König
zurück, als Maximilian seine Kämpfe in Burgund
und Italien führte. Das Reich wurde nie zu
einem Territorium des habsburgischen Kaisers.
Wie stark das Reich als Einheit auf wechselseitigen
Gefälligkeiten basierte, wird gut ersichtlich
aus der Art und Weise, wie Maximilian die Kurfürsten
von der Wahl seines Enkels Karls V. überzeugen
wollte. Er legte ihnen nämlich dar, daß er außer
den Aufwendungen für sein Jagdvergnügen fast
sein ganzes Gut für das Reich eingesetzt habe, und
folgerte daraus, daß sie es ihm deswegen schuldig
seinen, „ainen seiner gefreunten" (das heißt einen
seiner Verwandten) als nachfolgenden König zu
wählen.34
Zur Zeit Maximilians bildete sich unter den verschiedenen
Herrschaftsträgern des Reiches eine
Reihe von gemeinsamen Bedürfnissen aus, die in
ihnen das Interesse dafür weckten, die Formen einer
kollektiven Schlichtung und Kooperation im
Reich festzulegen. In diesem Zusammenhang entstand
die sogenannte Reichsreform, die in einigen
Beschlüssen des Wormser Reichstags (1495) konkretisiert
wurde. Beschlossen wurde ein allgemeiner
Landfrieden, eine Steuer für das Reich (der
[all]„gemeine Pfennig"), die Errichtung eines
Reichsgerichtes als eines höchsten Gerichtes. Umstritten
blieb im Zusammenhang solcher Neuregelungen
, wie die zentrale Verwaltung organisiert sein
sollte. Es bildeten sich zwei Parteien. Maximilian
wollte die wichtigen Aufgaben vom Kaiser, also von
ihm selbst und seinem Hof verwaltet wissen. Andere
Reichsstände, besonders Berthold von Henneberg
, der Erzbischof von Mainz und Reichskanzler
, strebten die Bildung eines Reichsregiments an,
das mit Vertretern der Reichsstände besetzt und an
der Regierung des Reiches beteiligt werden sollte.
In Worms war es nicht zu einem endgültigen Entscheid
über diese Frage gekommen. Maximilian versuchte
, eine ständische Verwaltung des Reiches auszuschließen
. Er stellte neben die gerade erst beschlossenen
Reichsorgane eigene Einrichtungen:
Hofgericht, Hofrat und Hofkanzlei. Um 1500
schien sich die ständische Seite in diesem Konflikt
durchzusetzen, denn der Reichstag übertrug nach
der Augsburger Regimentsordnung den Ständen die
Vertretung des Reiches. Schließlich war aber das
Vorgehen Maximilians, das Reichsregiment durch
eine eigene Verwaltung institutionell wie personell
zu ersetzen, erfolgreich. Seit dem Reichstag in Köln
1505 wurde seine Ordnung als die für das Reich
verbindliche akzeptiert.
Maximilian wurde durch einen solchen Sieg
nicht Herr des Reiches. Selbst die traditionelle
Pflicht, den Kaiser bei seinem Romzug zu begleiten
, wurde von vielen offenbar nicht als verbindlich
angesehen. Die militärische Lage in Italien blieb
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