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Dieter Mertens - Der Freiburger Reichstag
rieh (der Weise) waltete seines Amtes als Erz-
marschall des Reiches und trug reitend das erhobene
Schwert dem König voraus. Der Freiburger
Stadtschreiber Jakob Mennel nannte in seinen Aufzeichnungen
diesen Zug „gar eine hüpsche schar",
das heißt einen eindrucksvollen höfischen Zug.39
Mennel sah das ganz richtig. Der einreitende Zug
war eine symbolisch-zeremoniöse Darstellung der
Integrationskraft des Hofes. Auch Berthold von
Henneberg, der doch als Organisator und Sprecher
des Reichstags und seiner drei Kurien dem König
gegenübertrat, ordnete sich hier in den Hof ein.
Maximilian demonstrierte mit seinem Einzug also
das herkömmliche Prinzip der Hofordnung, sie
zeigte die Stellung, die ein jeder zum König hatte.
Die neue Ordnung des Reichstags hingegen, seine
Kurien und seine Rolle als ein Gegenpol zum Hof,
konnte natürlich nicht gleichzeitig sichtbar gemacht
werden und sollte es auch nicht.
Maximilian hatte das monatelange Fernbleiben
dazu genutzt, seinen Hof neu zu ordnen. Er hatte
neue Behörden geschaffen40 und wichtige Fürsten
an sich gebunden: die Herzöge Friedrich von Sachsen
und Georg von Bayern-Landshut. Die in Freiburg
versammelten Stände mahnten am 2. Januar
1498 den König sehr dringlich zu kommen und
wollten seine Begründung, er müsse wegen der
Neuordnung der Erblande in Innsbruck bleiben,
nicht akzeptieren - schließlich sei man ja von
Worms nach Freiburg, in eine erbländische Stadt,
gezogen, damit er seine erbländischen Angelegenheiten
neben den Reichssachen betreiben könne.41
Doch Maximilian wollte seine Kompetenzen nicht
trennen. Der reorganisierte Hof sollte vielmehr das
einheitliche Instrument seiner Herrschaft aus allen
seinen Zuständigkeiten sein einschließlich der Krone
. Er sollte der im Reichstag, dem Kammergericht
und der ständischen Verwaltung des Gemeinen
Pfennigs sich manifestierenden Verselbständigung
des Reichs ohne Habsburg entgegenwirken. An der
Jahreswende 1497/98 schuf Maximilian drei Behörden
: Hofrat und Hofkammer als kollegial zusammengesetzte
Gremien und die mit dem Hof rat verschränkte
Hofkanzlei. Er erklärte sie für die
Erbländer und das Reich gleichermaßen für zuständig
, um so die Bestrebungen Bertholds von Henneberg
zu unterlaufen. Die wichtigste Behörde war
der Hofrat, bestehend aus zwölf „obersten Regenten
". Zehn von ihnen waren hohe Adelige - Fürsten
und Grafen -, der vornehmste Kurfürst Friedrich
der Weise als „Statthalter" des Königs; nur zwei
waren Beamte: Konrad Stürtzel, der Freiburger, der
auch die Hofkanzlei leitete, sowie sein Stellvertreter
. Diese zwölf sollten den König als oberstes
Regierungs- und Gerichtsorgan vertreten, aber stets
dem Hof folgen. Als Gericht konkurrierte der
Hofrat folglich mit dem Kammergericht und minderte
seine Bedeutung; als Regierung mit Hilfe von
Kurfürst und Fürsten stellte der Hofrat Maximilians
Antwort auf Bertholds Reichstag dar. Es war
Maximilians Versuch, das Reich mit Hilfe derjenigen
Kurfürsten und Fürsten zu regieren, die sich
von Berthold trennen ließen.
Vergegenwärtigen wir uns jetzt noch einmal den
Einritt Maximilians in Freiburg am 18. Juni. Kurfürst
Friedrich, der dem König das Schwert hielt,
war neben Berthold der einzige anwesende Kurfürst
und müßte eigentlich in der Reichstagskurie der
Kurfürsten Bertholds wichtigste Stütze bei der Formulierung
der ständischen Interessen sein. Aber
gerade ihn hatte Maximilian auf seine Seite gezogen
und als vornehmstes Mitglied seines neuen
Hofrats gewonnen. Trotz der Trompeter und Pauker
, die im Zug den notwendigen und sicherlich
auch schönen Lärm machten, ohne den kein König
und kein Fürst ranggerecht auftreten kann - trotz
dieses obligatorischen Lärms kann man die Spannungen
zwischen den Hauptpersonen, die Spannungen
im Gebälk der Reichsverfassung, knistern
hören.
V
Die Tagungs- und Verhandlungsformen der nächsten
Wochen spiegeln diese Spannungen wider.
Maximilian und das Plenum der anwesenden Stände
verhandelten nie unmittelbar miteinander. Zwar
hat der König am 25. Juni in einer Vollversamm-
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