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erzherzog zu Österreich und zu Burgundien, des
reichs ein gelit und nicht das wenigste".
Das traditionelle höfische Beratungsverfahren
war flexibel und behinderte anders als das förmliche
Gegenüber von Ständekurien und König dessen
Doppelrolle nicht. Überdies mußte Maximilian
daran gelegen sein, Berthold beim mühsamen
Koordinieren einer ständischen Frankreichpolitik
zu behindern. Er arbeitete deshalb darauf hin, das
Beratungsverfahren des Reichstags zu konterkarie-
ren. Daß er Kurfürst Friedrich von Sachsen und
Georg von Bayern in den neugebildeten Hofrat eingebunden
hatte, war sein erster Coup. Der zweite
bestand in der Bildung eines Ausschusses, die er
am Ende seiner zweiten „Verfassungsrede" forderte
und die auch sogleich vollzogen wurde. Der
Ausschuß bestand aus sechs Kurfürsten - mittlerweile
fünf in Person und eine Botschaft -, sechs
Fürsten respektive ihren Botschaften und aus drei
Stadtvertretern.44 Der Ausschuß war für den König
und seine Räte leichter handhabbar - Ausschuß
und Räte unterredeten sich sogar „geselliklich"45 -
und minderte die Bedeutung des Plenums, insbesondere
die der Städte. Kurz darauf notierte Jakob
Mennel, an vier Orten werde normalerweise täglich
Rat gehalten: vom König und seinen engsten
Räten, im Hofrat, im Plenum und im Ausschuß.46
Fallweise kam es aber auch vor, daß Maximilian den
Ausschuß noch einmal spaltete und sich nur mit
den kurfürstlichen Mitgliedern beziehungsweise
Botschaften besprach. Ein andermal erschien der
König zwar vor der Versammlung, beriet sich aber
nur mit Kurfürsten und Fürsten.47 So verliefen die
Verhandlungen mit dem Plenum indirekt. Berthold
von Henneberg oder die Hofräte, sehr oft der Hofkanzler
Konrad Stürtzel, trugen die Wünsche des
Königs vor, die Kurien berieten ihre Antworten
zuerst getrennt und dann gemeinsam und schickten
eine Abordnung zum Hof, der meist auch Berthold
angehörte. Der König besprach sich mit seinen
Räten und ließ sie antworten. Berthold referierte
sodann dem Plenum die Antwort des Königs,
die königlichen Räte gaben weitere Erläuterungen
usf. Hof und Reichstag, König und Reich blieben
also auch dann getrennt, wenn sie sich innerhalb
derselben Stadtmauern aufhielten, um miteinander
zu verhandeln. Berthold beklagte dieses Verfahren,
es produziere Mißverständnisse.48 Doch der König
unterwarf sich keinem Reichstagsverfahren, er
näherte die Prozeduren vielmehr so weit wie möglich
dem höfischen Vorgehen an, dessen Grundregel
die Freiheit des Herrschers ist, um Rat zu fragen
, wen er will.
Der Hauptkonflikt zwischen Hof und Reichstag
, die Weiterentwicklung der Reichsverfassung,
wurde in Freiburg nicht über die Inhalte und Beschlüsse
, sondern über Verfahren und Personen ausgetragen
. Es war das große Verdienst Bertholds von
Henneberg, die Versammlung während der langen
ersten Dümpelphase, als die Teilnehmer mehrfach
drauf und dran waren abzureisen und den Reichstag
dadurch scheitern zu lassen, beisammen- und
in Tätigkeit gehalten zu haben. Dadurch konnte er
die in Worms 1495 so eindrucksvoll agierende Ständeversammlung
sichern. Auch die Existenz und
Abb. 9 Der König berät mit
sechs Kurfürsten (Mainz, Köln,
Pfalz, Brandenburg, Trier,
Sachsen). Holzschnitt. Nürnberg,
Peter Wagner 1495.
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